Leitsatz (amtlich)

- Parallelentscheidung zum Urteil des Senats vom selben Tag, L 2 KR 57/ 11 -

1. Nach Auffassung des Senats ist eine Prüfung zeitnah im Sinne des § 275 Abs. 1 c Satz 1 SGB V, wenn sie innerhalb von 12 Wochen nach Einleitung des Prüfverfahrens abgeschlossen ist; dieser Zeitraum darf nur bei Vorliegen eines zureichenden Grundes überschritten werden.

2. Ein Verstoß des Sozialmedizinischen Dienstes (SMD) gegen das in § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V verankerte Gebot der zeitnahen Prüfung ist der Krankenkasse zuzurechnen; was für Verstöße des MDK gilt, bleibt offen.

3. Der Verstoß gegen das in § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V verankerte Gebot der zeitnahen Prüfung hat zur Folge, dass die Krankenkasse mit Einwendungen ausgeschlossen ist ( §§ 242 BGB, 69 SGB V) Die Präklusionswirkung erstreckt sich nur auf die Sachverhaltsermittlung, nicht aber auf die rechtliche Prüfung unter Zugrundelegung des auch bei Eintritt der Präklusionswirkung bereits festgestellten Sachverhalts; die Ausschlusswirkung beschränkt sich im Ergebnis auf solche Umstände, die auch das Gericht nur nach Heranziehung medizinischen Sachverstandes zu klären vermag.

 

Orientierungssatz

Parallelentscheidung zu dem Urteil des LSG Saarbrücken vom 21.3.2012 - L 2 KR 57/11, das vollständig dokumentiert ist.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 20.05.2011 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Vergütung einer Krankenhausbehandlung.

Der Kläger ist Träger eines zur Versorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zugelassenen Krankenhauses in H.. Vom 13.05. bis 19.06.2009 wurde die bei der Beklagten krankenversicherte E.A. im Krankenhaus des Klägers stationär behandelt. Mit Rechnung vom 25.06.2009 stellte der Kläger dafür insgesamt 9.561,08 Euro in Rechnung. Abgerechnet wurde u. a. die DRG L60B (Niereninsuffizienz, mehr als ein Belegungstag, mit Dialyse, mit akutem Nierenversagen oder äußerst schweren CC [Komplikationen oder Komorbiditäten], oder mit Kalziphylaxie, mit Dialyse oder äußerst schweren CC, Alter ≫ 15 Jahre).

Die Beklagte zahlte am 02.07.2009 zunächst den gesamten Rechnungsbetrag und bat mit Schreiben vom selben Tag um eine medizinische Begründung entsprechend der landesvertraglichen Vorgaben, da die übermittelten Daten eine zweifelsfreie Beurteilung zur Frage, ob die angegebenen Nebendiagnosen der DRG-Abrechnung zur Grunde zu legen seien, nicht zulasse. Als Begründung gab der Kläger daraufhin an: “Sämtliche von uns kodierten Nebendiagnosen sind an Hand des hier dokumentierten Ressourcenverbrauchs dokumentiert. Insofern sachgerecht und korrekt kodiert. Gegebenenfalls gerne SMD„.

Mit Schreiben vom 27.07.2009 teilte der sozialmedizinische Dienst (SMD) dem Kläger mit, dass er mit der Überprüfung des Abrechnungsfalles beauftragt sei. Für eine abschließende sozialmedizinische Stellungnahme werde der Entlassungsbericht benötigt, um dessen Übersendung gebeten werde. Nachdem der Kläger den Krankenhausentlassungsbericht übersandt hatte (Schreiben vom 28.07.2009), forderte der SMD am 18.12.2009 weitere Unterlagen an (Fieberkurve, Pflegebericht, Urinbefund, Uricult, mikrohistologischen Befund, Arztdokumentation). Der Kläger übermittelte diese Unterlagen am 22.12.2009.

Mit Schreiben vom 16.04.2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, man beziehe sich auf den Schriftwechsel und die in der Anlage beigefügte Stellungnahme des SMD. Aufgrund dieser Stellungnahme ergebe sich ein neuer Zahlbetrag in Höhe von 7.771,90 € und man werde den überzahlten Betrag an einer der nächsten Rechnungen abziehen. Sollte der Kläger über Unterlagen verfügen, die eine andere Beurteilung zuließen, bitte man um Mitteilung bzw. Zusendung an den SMD, dann würde eine Überprüfung erfolgen.

Der in der Anlage übermittelte Bericht des SMD vom 09.04.2010 hatte Folgendes zum Inhalt:

Krankenhausseitig ermittelte DRG L60B.

“Die stationäre Aufnahme erfolgte wegen einer terminalen Niereninsuffizienz mit Einleitung einer Hämodialyse. Als Ursache der Niereninsuffizienz fand sich bioptisch eine diabetische Glomerulo-Nephropathie.

Die Verschlüsselung der Hauptdiagnose ist nicht zu beanstanden, strittig ist die Nebendiagnose N30.0 (akute Zystitis). Soweit aus den Unterlagen ersichtlich, wurde bei der Versicherten eine Urinuntersuchung mit positivem Befund durchgeführt, so dass hier korrekterweise ein unspezifischer Harnwegsinfekt zu verschlüsseln ist. Eine Lokalisationsdiagnostik hinsichtlich der angegebenen Zystitis lässt sich aus den Unterlagen nicht ersehen. Nach Ersatz der Nebendiagnose N30.0 durch N39.0 führt o.g. Fall in die DRG L60C„.

Mit Schreiben vom 22.04.2010 rügte der Kläger, dass der SMD seine Bedenken nicht gegenüber dem leitenden Abteilungsarzt bzw. dessen Stellvertreter dargelegt und mit diesem erörtert habe. Zudem verwies der Kläger darauf, dass die Ärzte seines Medizincontrollings wie folgt Stellun...

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