Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Erwerbsminderung "auf nicht absehbare Zeit". vereinzelte Phasen von Arbeitsunfähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Vereinzelte Phasen von Arbeitsunfähigkeit belegen keine Erwerbsminderung iS des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung. Denn die Erwerbsminderung muss gem § 43 Abs 1 S 2 bzw Abs 2 S 2 SGB VI "auf nicht absehbare Zeit" bestehen; die gesundheitsbedingte Unfähigkeit, eine Erwerbstätigkeit auf nicht absehbare Zeit auszuüben, ist dabei ein objektives Merkmal der Erwerbsunfähigkeit als Voraussetzung eines Rentenanspruchs (vgl BSG vom 23.3.1977 - 4 RJ 49/76 = SozR 2200 § 1247 Nr 16 = juris RdNr 14).

2. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn sich diese gesundheitsbedingte Unfähigkeit, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, voraussichtlich über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten erstreckt, was sich aus § 101 Abs 1 SGB VI ergibt, wonach Renten wegen Erwerbsminderung nicht vor Beginn des siebten Monats nach Eintritt der Erwerbsminderung geleistet werden.

3. Der Überzeugung von einer solchen Vorhersehbarkeit eines über sechs Monate andauernden Gesundheitszustandes mit gleichbleibendem Einfluss auf die Leistungsfähigkeit kann entgegenstehen, wenn die klagende Person sich zeitgleich um die Zulassung zur vertragszahnärztlichen Versorgung bemüht, dabei in der Lage ist, an mehrstündigen Gerichtsverhandlungen teilzunehmen und daneben diesen Beruf privatärztlich auch tatsächlich regelmäßig ausübt.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 15.10.2021; Aktenzeichen B 5 R 152/21 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 15.01.2018 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin für den Zeitraum vom 20.09.2012 bis 31.01.2014 einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach den Vorschriften des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) hat.

Die 1948 geborene Klägerin ist studierte Zahnärztin und war unter anderem vom 01.05.1981 bis 31.10.1981 im zahnärztlichen Institut der früheren A. f. d. S. beschäftigt gewesen, wobei sie aufgrund eines am 22.11.1979 gestellten Befreiungsantrags ab dem 04.10.1979 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit gewesen ist und die vorgenannte Zeit bei der Ärzteversorgung berücksichtigt wurde.

Durch Beschluss des Zulassungsausschusses für Zahnärzte vom 03.02.1984 wurde die Klägerin zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit zugelassen und nahm am 08.07.1984 ihre selbstständige Tätigkeit in eigener Praxis in Du. auf. Diese Zulassung verlor sie durch Entziehung vom 24.06.1997 durch den Zulassungsausschuss für Zahnärzte wegen gröblicher Verletzung vertragszahnärztlicher Pflichten. Diese Entscheidung wurde gerichtlich rechtskräftig bestätigt (S 2 KA 57/01; L 3 KA 16/06; B 6 KA 72/07 B). Ein Antrag auf erneute Zulassung zur vertragszahnärztlichen Versorgung vom 19.08.2009 blieb erfolglos (S 2 KA 168/10; L 3 KA 11/11; B 6 KA 6/13 B). Gleiches galt für einen weiteren Antrag auf Zulassung zur vertragszahnärztlichen Versorgung vom 07.02.2014 (S 2 KA 28/15; L 3 KA 1/16). Ihre Tätigkeit als Zahnärztin übte sie indes zumindest nach eigenen Angaben bis ins Jahr 2011 oder 2012 (Angaben gegenüber dem Sachverständigen Ph.) aus und war 2014 laut damaliger Ermittlungen des Zulassungsausschusses für Ärzte und des Umweltamtes in ihrer Praxis weiterhin persönlich erreichbar.

Zuletzt war die Klägerin als Haushaltshilfe in einem Privathaushalt unter Verzicht auf die Versicherungsfreiheit beschäftigt gewesen. Seit dem 01.08.2009 sind bei der Klägerin ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 sowie seit dem 08.06.2010 das Merkzeichen „G“ anerkannt. Hierbei wurden die Auswirkungen folgender Funktionseinschränkungen berücksichtigt:

- Schädigung des Nervus tibialis rechts, des rechten Peronäusnervs, Polyneurophatie mit Bewegungsbehinderung des Kniegelenks, Reizzuständen und Arthrose

- Asthma bronchiale

- Chronisch rezidivierende Anexitis

Ihren Antrag vom 20.09.2012 auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung begründete die Klägerin mit dem Vorliegen von Asthma bronchiale-Anfällen, Atemnot und Husten. Die Beklagte zog verschiedene medizinische Unterlagen bei, darunter einen Befundbericht der Klinik für Dermatologie des Universitätsklinikums d. S. und von dort erstellte Arztbriefe sowie einen Befundbericht des Facharztes für Innere Medizin Dr. G. Die Klägerin reichte ihrerseits eine Bescheinigung der Internistin und Pneumologin Wa. zu den Verwaltungsakten. Die Beklagte holte daraufhin ein Gutachten des Arztes für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde sowie Allergologie Dr. Gr. vom 18.11.2013 ein. Dieser kam aufgrund seiner Untersuchung der Klägerin am 18.10.2013 zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin trotz der gestellten Diagnosen einer chronisch-obstruktiven Ventilationsstörung sowie eines Asthmas bronc...

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