Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Minderwuchs. kein Anspruch auf operative Beinverlängerung bei Größe im Normbereich. Krankheit. Entstellung. Psychische Beschwerden. Kostenerstattung. Leistungsklage
Leitsatz (amtlich)
Eine Größe von 143 cm liegt bei einer Frau noch im Normbereich und begründet keinen Anspruch gegen die gesetzliche Krankenkasse auf eine operative Beinverlängerung, auch nicht zur Beseitigung psychischer Belastungen (vgl LSG Stuttgart vom 17.11.2015 - L 11 KR 5308/14).
Normenkette
SGB V § 27 Abs. 1 S. 1, § 13 Abs. 3 S. 1; SGG § 54 Abs. 1, 4, § 123
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 10.03.2016 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Kostenübernahme für eine operative Beinverlängerung.
Bei der 1987 geborenen Klägerin, die bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert ist, liegt ein genetisch bedingter Minderwuchs bei Ullrich-Turner-Syndrom vor. Ein häufiges Merkmal dieser Chromosomenfehlverteilung ist ein Minderwuchs mit einer durchschnittlichen Erwachsenengröße von 145 cm. Die Versicherte war vor der Operation 143 cm groß, ihre Mutter 149 cm.
Unter Vorlage von Arztberichten von Prof. Dr. Be. (vom 10.12.2012) und Prof. Dr. Za. (vom 28.06.2001) sowie eines psychodiagnostischen Gutachtens (vom 06.12.2012) von Dr. Ha. (Dipl.-Psychologe) beantragte die Klägerin am 13.12.2012 die Kostenübernahme für eine Beinverlängerung nach dem Ilizarov-Prinzip mit Hilfe eines nicht motorisierten Distraktionsnagels.
In einem von der Beklagten eingeholten Gutachten (vom 04.01.2013) des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung im Saarland (MDK) führte die Gutachterin Dr. Ho. aus, gemäß der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht liege der Grad der Behinderung (GdB) unter 30. Eine Körpergröße nach Abschluss des Wachstums über 130 cm bis 140 cm ergebe einen GdB von 30 bis 40. Es liege somit hier kein messbarer GdB bzw. keine schwerwiegende Behinderung vor. Es handele sich um eine Normvariante des menschlichen Erscheinungsbildes. Ein Behinderungsausgleich mittels Operation sei nicht notwendig und in keiner Weise zu rechtfertigen. Ein Ausgleich der Körpergröße sei durch Einsatz von Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens ausreichend möglich. Eine psychische Störung sei mit Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu behandeln. Eine erhebliche Entstellung sei ebenfalls nicht gegeben. Es sei auch zu berücksichtigen, dass es sich bei der hier geplanten Verlängerung von Ober- und Unterschenkeln um einen großen operativen Eingriff an einem dem Grunde nach gesunden Organ handele.
Gestützt auf dieses Gutachten lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08.01.2013 den Antrag ab. Die Operation ließ die Klägerin am 05.03.2013 durchführen, ihr Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 01.08.2014, zugestellt am 06.08.2014).
Die am 04.09.2014 erhobene Klage hat das Sozialgericht für das Saarland (SG) mit Gerichtsbescheid vom 10.03.2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen und ergänzend ausgeführt, aus der Rechtsprechung des BSG ergebe sich, dass psychische Beeinträchtigungen rein nervenärztlich zu behandeln seien. Darüber hinaus könne die Klägerin mit ihrem Begehren der Kostenerstattung auch deshalb nicht durchdringen, da sie trotz entsprechender Einwände der Beklagten diese Kosten bis zuletzt nicht nachgewiesen habe. Auch auf den entsprechenden Hinweis der Kammer sei ein entsprechender Nachweis entstandener Kosten durch die Klägerin nicht geführt worden.
Gegen den ihr am 04.04.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 20.04.2016 Berufung eingelegt.
Zur Begründung trägt sie vor, ihre Körpergröße beruhe auf dem Krankheitsbild Ullrich-Turner-Syndrom. Die krankheitsbedingten Auswirkungen auf ihre Körpergröße hätten nur durch die am 05.03.2013 durchgeführte Operation beseitigt werden können. Ihr Leiden habe sich im alltäglichen Umgang manifestiert, z.B. mit der Benutzung von Stühlen, hoch angebrachten sanitären Einrichtungen, Spiegeln, Regalen, nachvollziehbarer Weise also im täglichen Umgang mit auf “Normalgrößen„ abgestellten öffentlichen und privaten Einrichtungen. Daneben habe sie in erheblicher Weise psychisch an den Auswirkungen ihrer geringen Körpergröße gelitten. Sie sei gehemmt gewesen und habe Schwierigkeiten gehabt, soziale Kontakte und insbesondere auch vertiefte private Kontakte aufzunehmen. Im Ergebnis habe eine psychisch weit unterdurchschnittliche persönliche Wahrnehmung in Bezug auf ihre Person vorgelegen. Ohne die Operation hätte wohl von einer lebenslangen psychotherapeutischen Behandlung ausgegangen werden müssen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts für das Saarland vom 10.03.2016 sowie...