Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Zulässigkeit. Beschwerde. einstweiliges Rechtsschutzverfahren. Unzulässigkeit. Nichtzulassungsbeschwerde. Zulassung in Rechtsmittelbelehrung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Zulässigkeit einer Beschwerde gegen Entscheidungen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, in denen der Beschwerdewert nach § 144 Abs 1 S 1 SGG nicht erreicht wird oder in denen wiederkehrende oder laufende Leistungen von bis zu einem Jahr streitig sind, hängt allein davon ab, ob in einem Hauptsacheverfahren die Berufung nach § 144 Abs 1 S 1 oder § 144 Abs 1 S 2 SGG zulässig wäre.

2. Eine auf das Vorliegen der Berufungszulassungsgründe nach § 144 Abs 2 SGG gestützte Nichtzulassungsbeschwerde gegen eine in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangene Entscheidung ist auch dann unzulässig, wenn der angefochtenen Entscheidung eine dahin gehende Rechtsmittelbelehrung beigefügt ist.

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 18. August 2008 wird als unzulässig verworfen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die am 21. August 2008 durch die Antragsteller eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde gegen den am 21. August 2008 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 18. August 2008 ist unzulässig.

Nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in seiner ab 1. April 2008 geltenden Fassung (Art 1 Nr. 29 Buchstabe b des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 - BGBl. I S. 444) ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der ab 1. April 2008 geltenden Fassung ist die Berufung zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR übersteigt. Das gilt nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Beides ist hier nicht der Fall.

Die Antragsteller machen einen Anspruch auf vorläufige Gewährung von Umgangskosten in Höhe von 326,76 EUR für die Zeit vom 3. August 2008 bis 21. August 2008 geltend. Streitbefangen ist somit ein Betrag, der weit unterhalb des maßgebenden Beschwerdewertes von mehr als 750 EUR liegt. In zeitlicher Hinsicht betrifft der geltend gemachte Anspruch einen Zeitraum von unter einem Monat.

Ungeachtet der dahingehenden Rechtsmittelbelehrung durch das Sozialgericht ergibt sich die Zulässigkeit einer Beschwerde im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auch nicht aus ihrer Zulassung auf eine Nichtzulassungsbeschwerde hin aufgrund einer entsprechenden Anwendung des § 145 SGG. Das SGG in seiner ab 1. April 2008 geltenden Fassung sieht für die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes weder eine Zulassung der Beschwerde durch die Sozialgerichte noch eine Nichtzulassungsbeschwerde vor, über die die Landessozialgerichte zu entscheiden hätten. Auch eine fiktive Prüfung, ob eine Zulassung nach § 144 Abs. 2 SGG zu erfolgen hätte, wenn es sich nicht um ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, sondern um ein Hauptsacheverfahren handeln würde, kommt nach Auffassung des Senats nicht in Betracht (so bereits Beschluss des Senats 21.7.2008 - L 5 B 259/08 ER AS; ebenso LSG Hamburg 12.8.2008 - L 4 B 308/08 ER SO; siehe auch LSG Nordrhein-Westfalen 10.4.2008 - L 9 B 74/08 AS ER und 2.7.2008 - L 7 B 192/08 AS ER, beide in juris).

Dieses Verständnis wird zunächst durch den Wortlaut des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG nahe gelegt. Dieser macht deutlich, dass die Beschwerde im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur dann zulässig sein soll, wenn in der Hauptsache die Berufung zulässig “wäre„, und er spricht eher dafür, dass lediglich Verfahren gemeint sind, in denen die Zulässigkeit schon kraft Gesetzes mangels eines der Ausschlussgründe des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG und nicht erst nach ausdrücklicher Zulassung gegeben ist. Ein systematisches Argument für die Auffassung des Senats lässt sich zudem daraus herleiten, dass § 172 SGG nicht auf eine entsprechende Anwendung der §§ 144 und 145 SGG Bezug nimmt.

Auch wenn der Wortlaut und die Systematik der Norm für sich nicht eindeutig sind, sprechen doch jedenfalls Sinn und Zweck der gesetzlichen Neuregelung für die Auslegung des Senats. Denn nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers ist die zum 1. April 2008 in Kraft getretene Beschränkung der Beschwerdemöglichkeit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zur Entlastung der Landessozialgerichte erfolgt (BT-Drs. 16/7716, S. 22 - zu Art. 1 Nr. 29 Buchstabe b). Dieses Ziel ist außerdem nicht nur im Sinne einer allgemeinen Absichtserklärung genannt worden, die für die Auslegung des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ohne ausschlaggebende Bedeutung wäre. Vielmehr hat der Gesetzgeber konkretisierend deutlich gemacht, dass er die E...

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