Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen einer Zuerkennung des Merkzeichens G im Schwerbehindertenrecht

 

Orientierungssatz

Die Zuerkennung des Merkzeichens G kommt regelmäßig dann in Betracht, wenn Beeinträchtigungen, die sich auf die Gehwerkzeuge auswirken, mindestens einen GdB von 50 bedingen. Die üblicherweise im Ortsverkehr zu Fuß zurückgelegte Strecke beträgt 2 km, die in etwa einer halben Stunde zu bewältigen ist. Dabei kommt es nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalls an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein, d. h. altersunabhängig von nicht behinderten Menschen noch zu Fuß zurückgelegt werden. Bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion sind diese Voraussetzungen als erfüllt anzusehen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 17.01.2019; Aktenzeichen B 9 SB 4/18 BH)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 7. Juni 2016 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Feststellung des Merkzeichens "G" auch für die Zeit vor dem 5. Februar 2018.

Im Erstfeststellungsverfahren nach dem Schwerbehindertenrecht stellte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Februar 2009 einen Grad der Behinderung (GdB) von 40 fest. Hierbei berücksichtigte sie eine psychische Störung mit einem Teil-GdB von 40 und ein Fibromyalgiesyndrom mit einem Teil-GdB von 10.

Im späteren Neufeststellungsverfahren stellte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 2010 einen Grad der Behinderung von 50 fest. Die Erhöhung beruhte darauf, dass die psychische Störung nunmehr mit einem Teil-GdB von 50 und das Fibromyalgiesyndrom mit einem Teil-GdB von 20 bewertet wurden. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" lehnte die Beklagte ab.

Unter dem 14. März 2014 beantragte der Kläger die Neufeststellung seines GdB und die Feststellung des Merkzeichens "G".

Nach der Auswertung der aktuellen Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers durch den Chirurgen Dr. K. (Gutachtliche Stellungnahme vom 30. Mai 2014) erließ die Beklagte den Neufeststellungsbescheid vom 19. Juni 2014, in dem ein GdB von 60 anerkannt, die Feststellung des Merkzeichens "G" jedoch abgelehnt wurden. Im Einzelnen wurden dabei folgende Gesundheitsstörungen berücksichtigt:

1. Psychische Störung (Teil-GdB 50)

2. Entzündlich-rheumatische Gelenkerkrankung, Fibromyalgiesyndrom (Teil-GdB 30)

3. Funktionsstörung der Wirbelsäule (Teil-GdB 10)

4. Bluthochdruck (Teil-GdB 10).

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein und trug u.a. vor, es müsse das Merkzeichen "G" festgestellt werden, da er nicht mehr in der Lage sei, eine Strecke von zwei Kilometern in etwa einer halben Stunde zu gehen. Dies hänge vor allem mit seiner Depression und seinen Erschöpfungszuständen zusammen.

Nach Einholung weiterer Befundberichte von Frau S. und von Dr. L. und gutachtlicher Stellungnahme des Allgemeinmediziners Dr. F. wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2014 zurück. Die Gesundheitsstörungen bezeichnete sie nunmehr wie folgt:

1. Psychische Störung (Teil-GdB 50)

2. Entzündlich-rheumatische Gelenkerkrankung (Teil-GdB 20)

3. Funktionsstörung der Wirbelsäule (Teil-GdB 10)

4. Bluthochdruck (Teil-GdB 10).

Die Ablehnung der Feststellung des Merkzeichens "G" hielt sie aufrecht.

Mit seiner hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt, dieses jedoch im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht auf die Feststellung des Merkzeichens "G" beschränkt.

Im erstinstanzlichen Verfahren hat der Allgemeinmediziner W. nach Untersuchung des Klägers im Gutachten vom 9. Oktober 2015 ausgeführt: Der Kläger habe die 14 Treppenstufen zur Praxis auf- und abwärts im Wechselschritt mit Festhalten zurückgelegt und sich innerhalb der Praxisräume mit einem gleichmäßigen, flüssigen und unbeeinträchtigtem Gangbild bewegt. Auch auf dem Weg zur S-Bahn nach Ende der Untersuchung habe der Sachverständige ein normales Gangbild beobachten können. Das Bewegungsausmaß der großen und kleinen Gelenke sei unbeeinträchtigt, das Muskelprofil an Armen und Beinen gleichmäßig und kräftig. Auch das Bewegungsausmaß des Achsenskeletts sei in allen Richtungen unbeeinträchtigt. Die rheumatologische Erkrankung sei von der Beklagten mit einem GdB von 30 aus allgemeinärztlicher Sicht zutreffend und angemessen eingeschätzt. Das Bewegungsausmaß sämtlicher großer und kleiner Gelenke sei vollkommen unbeeinträchtigt gewesen. Unter der seit über zwei Jahren durchgeführten Therapie mit E. finde sich in den Laborwerten auch keine entzündliche Aktivität. Trotz der vom Kläger geltend gemachten Bandscheibenvorfälle zeige sich bei seiner Untersuchung eine erstaunlich gute Beweglichkeit, so dass die bisherige versorgungsärztliche Einschätzung eines Teil-GdB von 10 aus allgemeinärztlicher Sicht angemessen sei. Außerdem sei zu berücksichtig...

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