Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. Rechtsschutz durch Verband

 

Leitsatz (amtlich)

Einem Beteiligten, der Rechtsschutz durch einen Verband in Anspruch nehmen kann, ist, auch wenn er dafür eine Eigenbeteiligung von 28,- € zu leisten hat, keine Prozesskostenhilfe zu gewähren.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 5. Januar 2006 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die am 20. Februar 2006 durch die Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 5. Januar 2006 eingelegte Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen und die es dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat (§ 174 Sozialgerichtsgesetz - SGG), ist statthaft und zulässig (§§ 172, 173 SGG).

Insbesondere ist sie fristgerecht erhoben worden, da es bei einer Zustellung nach § 174 Zivilprozessordnung (ZPO) - d.h. gegen Empfangsbekenntnis - nicht genügt, dass das zuzustellende Schriftstück von einer Bürokraft des Empfängers entgegengenommen wurde. Zustellungsdatum ist vielmehr der Tag, an dem der Rechtsanwalt als Zustellungsadressat vom Zugang des übermittelten Schriftstücks persönlich Kenntnis erlangt und es empfangsbereit entgegennimmt (BGH, Beschluss vom 20.7.2006, I ZB 39/05 Rn. 7, NJW 2007, 600, 601 Rn. 7 m.w.N.; ebenso u.a. Zöller/Stöber, ZPO 26. Aufl., § 174 Rn. 6 und 14; Curkovic in Hennig, SGG, § 63 Rn. 31 f.; Rohwer-Kahlmann, Aufbau und Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit, § 63 Rn. 46). Dies war nach den Angaben des Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin erst am 17. Februar 2006 der Fall.

Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil die Beschwerdeführerin nicht nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen außer Stande ist, die für ihre Prozessvertretung entstehenden Kosten durch Einsatz ihres Vermögens zu bestreiten (§ 114 Satz 1 ZPO i.V.m. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG). Dem steht ihre Mitgliedschaft im Sozialverband V. und die damit verbundene Möglichkeit, sich durch diesen im Gerichtsverfahren vertreten zu lassen, entgegen.

Zum Vermögen wird nach ganz h.M. auch der Anspruch auf Versicherungsschutz aus einer Rechtsschutzversicherung sowie der Anspruch auf kostenlosen Rechtsschutz durch einen Verband gezählt (BSG, Beschluss v. 12.3.1996, 9 RV 24/94, SozR 3-1500 § 73a Nr. 4, S. 4 ff.; ebenso LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 16.6.2005, L 6 U 236/04, NZS 2006, 278, 279; Keller/Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG 8. Aufl, § 73a Rn. 4; Knittel in Hennig, SGG, § 73a Rn. 38; Littmann in Hk-SGG, § 73a Rn. 8; Udsching in Krasney/Udsching, Hdb. des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4. Aufl., Kap VI Rn. 56; Düring in Jansen, SGG 2. Aufl., § 73a Rn. 3, 6). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.

Der Senat teilt nicht die vereinzelt in der Literatur vertretene Ansicht, dass diese Auffassung nach dem Urteil des 9. Senat des BSG vom 29. März 2007 (B 9a SB 3/05 R - juris) nicht mehr haltbar ist. Dem Urteil ist keine Aussage der Art zu entnehmen, dass es in Zukunft nicht mehr möglich sein soll, Verbandsmitglieder bei Prozesskostenhilfe-Anträgen auf die Inanspruchnahme der Verbandsvertretung zu verweisen (so aber Keller in jurisPR-SozR 21/2007).

Dagegen spricht zum einen, dass es alleiniger Streitgegenstand des vom BSG entschiedenen Verfahrens war, ob und in welcher Höhe (es ging um Kosten in Höhe von 210.- Euro nebst 7 % MwSt.) die Beklagte der Klägerin nach § 63 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - Kosten für Bevollmächtigte - Mitarbeiter der V. GmbH - im erfolgreich abgeschlossenen Vorverfahren zu erstatten hatte.

Dass es keinen Unterschied machen kann, ob Klägern tatsächlich entstandene - und mithin von der unterlegenen Seite zu erstattende - Kosten aus der Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder einen Verbandsvertreter herrühren, liegt nahe; dies gilt sogar erst recht in den Fällen, in denen unter Berufung auf die Verbandsvertretung Prozesskostenhilfe versagt worden wäre. Zwingende Konsequenzen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ergeben sich daraus jedoch nicht. Soweit das BSG in seinen Entscheidungsgründen § 73a SGG in Bezug nimmt, geschieht dies erkennbar deswegen, um darzulegen, dass diese Norm einer Kostenerstattung nicht entgegensteht.

Zum anderen sind die Ausführungen des BSG zu § 73a SGG (unter Rn. 31 des Urteils) recht allgemein gehalten und lassen keinesfalls erkennen, dass der 9. Senat eine generelle Aufgabe der bisher nahezu einhellig vertretenen und zudem maßgeblich durch die frühere Senatsrechtsprechung geprägten Auffassung zur Verbandsvertretung als Vermögenswert beabsichtigt hat. So heißt es dort:

‚Im Übrigen kann in Fällen, in denen die Verbandsvertretung Geld kostet, nicht ohne weiteres eine vermögenswerte Position angenommen werden, die vor Inanspruchnahme der PKH einzusetzen ist (vgl. dazu BSG SozR 3-1500 § 73a Nr. 4). Insoweit ist eine erweiternde Auslegung des § 73a Abs. 2 SGG nicht gerechtfertigt; vielmehr erfolgt ein Aussc...

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