Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausbehandlung. Abgrenzung ambulanter und vollstationärer Krankenhausbehandlung bei Behandlung von weniger als 24 Stunden
Orientierungssatz
1. Die Aufenthaltsdauer eines Versicherten in einer Klinik von unter 24 Stunden schließt eine vollstationäre Behandlung nicht von vornherein aus, denn eine 24stündige Mindestaufenthaltsdauer des Patienten im Krankenhaus ist hierfür nicht Voraussetzung. Auch aus der Rechtsprechung des BSG lässt sich eine starre Mindestaufenthaltsdauer nicht entnehmen. Entscheidend kommt es hier vielmehr darauf an, ob der Patient die Infrastruktur des Krankenhauses - also insbesondere die typische intensive ärztliche Betreuung sowie die Hilfe von jederzeit verfügbarem Pflegepersonal - in Anspruch genommen hat (vgl BSG vom 28.2.2007 - B 3 KR 17/06 R = SozR 4-2500 § 39 Nr 8).
2. Nach Ablauf der sechswöchigen Ausschlussfrist des § 275 Abs 1c S 2 SGB 5 darf die Prüfung des MDK nur auf Grundlage der Daten erfolgen, die das Krankenhaus der Krankenkasse nach § 301 SGB 5 übermittelt hat. Dies gilt nicht nur für die Frage, ob eine stationäre Krankenhausbehandlung erforderlich war, sondern ebenso, wenn zu klären ist, ob eine Krankenhausbehandlung überhaupt stationär erfolgt ist.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 25. Juli 2011 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere EUR 554,81 nebst 5 Prozent Zinsen auf EUR 702,06 seit dem 5. Oktober 2010 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der Vergütung für eine Krankenhausbehandlung.
Der 1991 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte L.W. wurde am 28. August 2010 um 22.10 Uhr in einer von der Klägerin betriebenen Klinik (A. Klinik B.) als Notfall aufgenommen und am Folgetag um 10.20 Uhr regulär entlassen. In den von der Klägerin an die Beklagte nach § 301 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) übermittelten Daten wurden sowohl als Aufnahme- als auch als Entlassungsdiagnose Palpitationen (ICD R00.2) genannt.
Die Klägerin verlangte von der Beklagten mit Rechnung vom 13. September 2010 einen Betrag in Höhe von EUR 702,06 für eine vollstationäre Behandlung des Versicherten. Die Beklagte verweigerte die Begleichung der Rechnung mit der Begründung, es habe keine vollstationäre, sondern lediglich eine ambulante Behandlung vorgelegen, da der Versicherte nicht mindestens einen Tag und eine Nacht im Krankenhaus verweilt habe. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) wurde nicht eingeschaltet.
Die Klägerin hat am 8. März 2011 Klage auf Zahlung des Rechnungsbetrages nebst Zinsen erhoben. Sie trägt vor, das Bundessozialgericht (BSG) habe zwar ausgeführt, dass eine stationäre Behandlung vorliege, wenn der Patient vor oder nach dem Eingriff eine Nacht im Krankenhaus verbringe, von einer starren Mindestfrist von 24 Stunden sei indes keine Rede gewesen. Im Übrigen sei mittlerweile die Ausschlussfrist des § 275 Abs. 1c SGB V abgelaufen, sodass die Beklagte keine Einwendungen mehr vorbringen könne, die einer Überprüfung durch den MDK zugänglich wären.
Die Beklagte hat demgegenüber die Auffassung vertreten, eine Abgrenzung zwischen stationärer und ambulanter Behandlung könne nur anhand der tatsächlichen Aufenthaltsdauer des Versicherten erfolgen. Dementsprechend habe das BSG festgestellt, dass der Patient bei der vollstationären Versorgung zeitlich ununterbrochen, also Tag und Nacht, im Krankenhaus untergebracht sein müsse. Dies könne bei herkömmlicher Betrachtungsweise nur so verstanden werden, dass eine Aufenthaltsdauer von mindestens 24 Stunden erforderlich sei. Da somit keine vollstationäre Krankenhausbehandlung vorliege und im Übrigen nur eine Rechtsfrage streitig sei, entfalle die Pflicht zur Prüfung durch den MDK nach § 275 Abs. 1c SGB V.
Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 25. Juli 2011 - den Beteiligten zugestellt am 2. August 2011 - verurteilt, an die Klägerin EUR 147,25 zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Klägerin könne lediglich die Vergütung ihrer Leistung in Höhe der vorstationären Pauschale verlangen, da eine vollstationäre Behandlung nicht stattgefunden habe. Die Prüfung, ob eine ambulante oder stationäre Behandlung stattgefunden habe, sei eine Rechtsfrage und daher nicht durch § 275 Abs. 1c SGB V ausgeschlossen, dessen Präklusionswirkung lediglich die Sachverhaltsermittlung betreffe. Vorliegend könne dahin stehen, ob eine Vergütung als vollstationäre Behandlung schon deshalb ausscheide, weil sich der Versicherte nicht mindestens 24 Stunden im Krankenhaus aufgehalten habe. Jedenfalls setze eine stationäre Behandlung voraus, dass die für eine Krankenhausbehandlung typische intensive ärztliche Betreuung oder die Pflege mit jederzeit verfügbarem Pflegepersonal in Anspruch genommen werde, was hier aber nicht der Fall gewesen sei. Aus der Krankenakte ergebe si...