Entscheidungsstichwort (Thema)
Lipofilling. Operation. Krankheit. Entstellung. Psychisches Leiden. Kostentragungspflicht der Krankenkasse für Korrekturen nach geschlechtsangleichender Operation bei transsexueller Entwicklung
Leitsatz (redaktionell)
Liegt keine körperliche Auffälligkeit mit entstellender Wirkung vor, hat die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten für eine operative Korrektur selbst dann nicht zu übernehmen, wenn der Versicherte aufgrund seines Aussehens psychisch leidet.
Orientierungssatz
1. Unter einer Krankheit ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Gesundheitszustand zu verstehen, der ärztlicher Behandlung bedarf oder arbeitsunfähig macht. Eine Entstellung erfüllt nur dann den Krankheitsbegriff, wenn sie eine gravierende, sofort auffallende Abweichung darstellt.
2. Sind nach einer geschlechtsangleichenden Operation von Frau zu Mann bei einer transsexuellen Entwicklung durch nicht sofort auffallende Entstellungen weder maßgebliche Körperfunktionen beeinträchtigt, noch stellen diese körperliche Auffälligkeiten mit entstellender Wirkung dar, so ist die Krankenkasse nicht verpflichtet, die Kosten der Korrektur zu übernehmen.
Normenkette
SGB V § 27
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 11. August 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für eine Brustkorrektur mittels Lipofilling zu übernehmen.
Der 1971 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Kläger unterzog sich im Jahr 2004 bei einer transsexuellen Entwicklung einer geschlechtsangleichenden Operation von Frau zu Mann. Im Jahr 2006 erfolgte wegen einer Dellenbildung im Brustbereich eine Korrektur durch Lipofilling. Im Mai 2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine erneute Behandlung der Brust durch Lipofilling, da sich erneut Dellen gebildet hätten, die insbesondere bei einer Bewegung der Arme sichtbar seien.
Der von der Beklagten beauftragte Medizinische Dienst der Krankenversicherung Nord N. (MDK) führte nach Untersuchung des Klägers in seinem Gutachten vom 7. September 2007 aus, dass es sich um eine unauffällige männliche Brust handele und kein entstellender oder krankhafter Befund erhoben werden könne. Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag durch Bescheid vom 26. September 2007 ab. Im Rahmen des sich anschließenden Widerspruchsverfahrens erstellte der MDK ein weiteres Gutachten vom 31. Januar 2008, in dem er bei seiner bisherigen Auffassung blieb. Die Beklagte wies den Widerspruch daraufhin durch Widerspruchsbescheid vom 2. April 2008 zurück.
Die dagegen am 16. April 2008 erhobene Klage hat das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid vom 11. August 2009 abgewiesen und ausgeführt, der Kläger könne die geplante Brustkorrektur auf Kosten der Beklagten nicht beanspruchen, da er nicht unter einer Krankheit leide. Nach ständiger Rechtsprechung sei unter einer Krankheit ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Gesundheitszustand zu verstehen, der ärztlicher Behandlung bedürfe oder arbeitsunfähig mache. Ein solcher Zustand sei bei dem Kläger nicht gegeben. Er sei nicht in maßgeblichen Körperfunktionen beeinträchtigt. Es liege auch keine körperliche Auffälligkeit mit entstellender Wirkung vor. Dies ergebe sich aus den Gutachten des MDK und auch aus den vom Kläger eingereichten Fotos. Diese zeigten eine normale männliche Brust ohne erkennbare Dellen oder Hautfalten. Selbst wenn sich bei bestimmten Bewegungen Dellen bilden sollten, handele es sich hierbei nicht um eine Entstellung, die einem unbefangenen Beobachter sofort auffallen würde. Auch der männliche Brustbereich unterliege in seiner äußeren Erscheinung einer großen Variationsbreite hinsichtlich seiner Form und Größe. Eine Entstellung könne nur bei einer gravierenden, sofort auffallenden Abweichung angenommen werden. Wie aus den Fotos ersichtlich sei, gebe es bei dem Kläger aber überhaupt keine Abweichungen. Der Eingriff könne auch nicht wegen eines psychischen Leidens beansprucht werden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts komme nämlich die Kostenübernahme für eine Operation am gesunden Körper aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht in Betracht.
Der Kläger hat hiergegen am 27. August 2009 Berufung eingelegt. Er trägt vor, er fühle sich sowohl als Mann als auch als Frau und habe mit dieser Doppelidentität keine Probleme. Er begehre die Korrektur seiner Brust daher nicht aus kosmetischen Gründen, sondern weil er das Gefühl habe, dass ihm etwas fehle und er sozusagen brustamputiert sei.
Der Kläger beantragt nach seinem Vorbringen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 11. August 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 26. September 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2008 zu verurteilen, die Kosten einer Brustkorrektur...