Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung der von der Kassenärztlichen Vereinigung einem Vertragsarzt vorläufig gezahlten Vergütung
Orientierungssatz
1. Rechtsgrundlage für einen Rückzahlungsanspruch der Kassenärztlichen Vereinigung wegen überzahlten vertragsärztlichen Honorars ist der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch in Anlehnung an §§ 812 Abs. 1 und 818 Abs. 2 BGB. Es genügt, wenn nach Abschluss des maßgeblichen Leistungszeitraums feststeht, dass die KV mehr gezahlt hat, als sie rechtmäßig hätte zahlen müssen.
2. Einer Abschlagszahlung der KV, soweit sie den durch die Endabrechnung festgesetzten Honoraranspruch übersteigt, fehlt insoweit der Rechtsgrund (BSG, Beschluss vom 04.02.2015, B 6 KA 31/14 B).
3. Das Vertrauen des Vertragsarztes in rechtswidrig gewährte Zahlungen ist nur dann schützenswert, wenn ihn hinsichtlich der Rückgewähr nicht der Vorwurf des Vorsatzes oder der groben Fahrlässigkeit trifft.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt der Kläger.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Rückforderungsbescheides der Beklagten über 107.000 € sowie die Rückzahlung dieses von ihm an die Beklagte bereits in Raten gezahlten Betrages nebst Zinsen in gesetzlicher Höhe.
Der Kläger nimmt als Facharzt für Chirurgie an der vertragsärztlichen Versorgung im Bereich der Beklagten teil. Seit 2007 führte er ambulante Operationen durch, die von der Beklagten nicht nach dem Vertrag „Ambulantes Operieren und stationsersetzende Eingriffe im Krankenhaus (AOP-Vertrag)“ mit einem Punktwert von 4,87 Cent, sondern nach dem Kapitel 31 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) vergütet wurden. Hintergrund war, dass über die Vergütung der Leistungen nach Kapitel 31 EBM Streit zwischen den Gesamtvertragspartnern herrschte. Die regionalen Gesamtvertragspartner hatten zunächst für Hamburg eine extrabudgetäre Vergütung nach Einzelleistungen zu einem Punktwert von 4,87 Cent ohne Mengenbegrenzung vereinbart. § 7 Abs. 1 des Vertrags nach § 115b Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) - Ambulantes Operieren und sonstige stationsersetzende Eingriffe im Krankenhaus in der Fassung des Schiedsspruchs des Erweiterten Bundesschiedsamts vom 15. September 2006 (AOP-Vertrag 2006), der sie hierzu ermächtigt hatte, wurde jedoch letztlich für rechtswidrig erklärt und das Erweiterte Bundesschiedsamt insoweit zur Neubescheidung verpflichtet (SG Berlin, Urteil vom 19. Januar 2011 - S 79 KA 977/06, juris). Bereits zuvor war die Vorschrift im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens in zweiter Instanz für rechtswidrig erachtet worden (SG Berlin, Beschluss vom 8. Juli 2008 - S 79 KA 977/06 ER, juris; abgeändert durch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Juli 2009 - L 7 B 74/08 KA ER, juris). Das Erweiterte Bundesschiedsamt kam seiner Verpflichtung zur Neubescheidung mit Schiedsspruch vom 25. Oktober 2012 nach. Für die Jahre 2007 und 2008 sah es eine Fassung von § 7 Abs. 1 AOP-Vertrag vor, wonach die regionalen Gesamtvertragspartner weiterhin zur Festlegung eines Punktwerts berechtigt waren. Soweit mit dem festgelegten Punktwert das diesbezügliche Ausgabevolumen überschritten wurde, mussten die Gesamtvertragspartner aber zum Ausgleich Punktwertveränderungen vereinbaren. Für die Zeit ab dem 1. Januar 2009 erhielt § 7 Abs. 1 AOP-Vertrag den Inhalt, dass die Leistungen auf der Grundlage des EBM, seiner Abrechnungsbestimmungen, des BMÄ und der Ersatzkassen-Gebührenordnung nach den für die Versicherten geltenden vertragsärztlichen Vergütungssätzen vergütet würden.
§ 7 Abs. 1 des AOP-Vertrages 2006, der letztlich für rechtswidrig erachtet wurde, hatte ursprünglich wie folgt gelautet:
„Die im Katalog nach § 3 aufgeführten ambulant durchführbaren Operationen und stationsersetzenden Eingriffe und die nach den §§ 4, 5 und 6 erbrachten Leistungen des Krankenhauses und der Vertragsärzte werden auf der Grundlage des EBM, seiner Abrechnungsbestimmungen und ggf. des BMÄ und der E-GO nach einem festen Punktwert außerhalb der budgetierten und pauschalierten Gesamtvergütungen vergütet. Den Punktwert legen die Gesamtvertragspartner fest. Bei der Punktwertfestlegung ist neben der Morbiditätsentwicklung die Anzahl der stationären und ambulanten Operationen im jeweiligen Bereich zu berücksichtigen. Die Gesamtvertragspartner bestimmen die Bereinigung der Gesamtvergütungen auf der Grundlage des Jahres 2005.“
Am 23. Januar 2009 wurde seitens der Beklagten 90.000 € dem Honorarkonto des Klägers mit der Bezeichnung „á Konto Zahlung“ gutgeschrieben. Die Kontoübersicht zur Honorarabrechnung vom 26. Mai 2009 für das vierte Quartal 2008 weist diesen Betrag aus als „Akontozahlung ambulantes Operieren“. Mit Schreiben vom 13. Dezember 2012 erklärte die Bek...