Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit einer Änderung des vertragsärztlichen Honorarbescheides im Überprüfungsverfahren
Orientierungssatz
1. Eine Entscheidung der Kassenärztlichen Vereinigung hinsichtlich der Überprüfung von Honorarbescheiden ist nach § 44 Abs. 2 S. 2 SGB 10 vom Sozialgericht allein auf Ermessensnichtgebrauch, -fehlgebrauch und -überschreitung zu prüfen.
2. Eine Ausübung des Ermessens nach § 44 Abs. 2 S. 2 SGB 10 dahingehend, dass eine Bescheidkorrektur, damit auch die Gewährung einer Nachvergütung, ist im Regelfall nicht zu beanstanden. Dies gilt zumal dann, wenn keine Rückstellungen zur Begleichung von Nachforderungen gebildet wurden.
3. Die Zulässigkeit einer Nachforderung ist danach auf atypische Fälle beschränkt, u. a. dann, wenn die KV Einfluss auf ihre Mitglieder ausgeübt hat, von der Einlegung von Rechtsbehelfen abzusehen.
Tenor
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt im Wege eines Überprüfungsverfahrens die Änderung der Honorarbescheide für das erste bis vierte Quartal 2007 und das erste bis vierte Quartal 2008 sowie die Zahlung eines zusätzlichen Honorars in Höhe von 46.249,05 € für Leistungen des ambulanten Operierens.
Der Kläger nimmt als Facharzt für Chirurgie an der vertragsärztlichen Versorgung im Bereich der Beklagten teil. Seit 2007 führte er ambulante Operationen durch, die von der Beklagten nicht nach dem Vertrag „Ambulantes Operieren und stationsersetzende Eingriffe im Krankenhaus (AOP-Vertrag)“ mit einem Punktwert von 4,87 Cent, sondern nach dem Kapitel 31 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) vergütet wurden. Hintergrund war, dass über die Vergütung der Leistungen nach Kapitel 31 EBM Streit zwischen den Gesamtvertragspartnern herrschte. Die regionalen Gesamtvertragspartner hatten zunächst für Hamburg eine extrabudgetäre Vergütung nach Einzelleistungen zu einem Punktwert von 4,87 Cent ohne Mengenbegrenzung vereinbart. § 7 Abs. 1 des Vertrags nach § 115b Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) - Ambulantes Operieren und sonstige stationsersetzende Eingriffe im Krankenhaus in der Fassung des Schiedsspruchs des Erweiterten Bundesschiedsamts vom 15. September 2006 (AOP-Vertrag 2006), der sie hierzu ermächtigt hatte, wurde jedoch letztlich für rechtswidrig erklärt und das Erweiterte Bundesschiedsamt insoweit zur Neubescheidung verpflichtet (SG Berlin, Urt. v. 19. Jan. 2011, S 79 KA 977/06, juris-Rn. 28 ff.). Bereits zuvor war die Vorschrift bereits im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens in zweiter Instanz für rechtswidrig erachtet worden (SG Berlin, Beschl. v. 8. Juli 2008, S 79 KA 977/06 ER, juris-Rn. 4 f.; abgeändert durch LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 15. Juli 2009, L 7 B 74/08 KA ER, juris-Rn. 32 ff.). Das Erweiterte Bundesschiedsamt kam seiner Verpflichtung zur Neubescheidung mit Schiedsspruch vom 25. Oktober 2012 nach. Für die Jahre 2007 und 2008 sah es eine Fassung von § 7 Abs. 1 AOP-Vertrag vor, wonach die regionalen Gesamtvertragspartner weiterhin zur Festlegung eines Punktwerts berechtigt waren. Soweit mit dem festgelegten Punktwert das diesbezügliche Ausgabevolumen überschritten wurde, mussten die Gesamtvertragspartner aber zum Ausgleich Punktwertveränderungen vereinbaren. Für die Zeit ab dem 1. Januar 2009 erhielt § 7 Abs. 1 AOP-Vertrag den Inhalt, dass die Leistungen auf der Grundlage des EBM, seiner Abrechnungsbestimmungen, des BMÄ und der Ersatzkassen-Gebührenordnung nach den für die Versicherten geltenden vertragsärztlichen Vergütungssätzen vergütet würden. § 7 Abs. 1 des AOP-Vertrages 2006, der letztlich für rechtswidrig erachtet wurde, lautete ursprünglich:
„Die im Katalog nach § 3 aufgeführten ambulant durchführbaren Operationen und stationsersetzenden Eingriffe und die nach den §§ 4, 5 und 6 erbrachten Leistungen des Krankenhauses und der Vertragsärzte werden auf der Grundlage des EBM, seiner Abrechnungsbestimmungen und ggf. des BMÄ und der E-GO nach einem festen Punktwert außerhalb der budgetierten und pauschalierten Gesamtvergütungen vergütet. Den Punktwert legen die Gesamtvertragspartner fest. Bei der Punktwertfestlegung ist neben der Morbiditätsentwicklung die Anzahl der stationären und ambulanten Operationen im jeweiligen Bereich zu berücksichtigen. Die Gesamtvertragspartner bestimmen die Bereinigung der Gesamtvergütungen auf der Grundlage des Jahres 2005.“
Die entsprechenden auf Grundlage des EBM ergangenen Honorarbescheide für die Quartale 1/2007 bis 4/2008 wurden bestandskräftig. Eine im Dezember 2012 vor dem Sozialgericht Hamburg erhobene Klage auf Zahlung von 46.249,05 € als weitere Vergütung für ambulantes Operieren wurde wegen der Bestandskraft der Honorarbescheide und des Fehlens eines anderweitigen Zahlungsanspruchs zurückgewiesen (Urteil vom 12. März 2014 - S 27 KA 329/12). Die Berufung blieb erfolglos (Urteil vom 16. Dezember 2015 - L 5 KA 29/14).
Am 21. Mai 2014 beantragte der Kläger bei der...