Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Umzug. fehlende Zusicherung. keine Deckelung der Unterkunftskosten auf die bisher angemessenen bei überörtlichem Umzug. verfassungskonforme Auslegung
Orientierungssatz
1. Das Fehlen einer vorherigen Zusicherung des Grundsicherungsträgers gem § 22 Abs 2 S 1 SGB zum Umzug steht der Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen für die neue Unterkunft gem § 22 Abs 1 SGB 2 nicht entgegen, da die Zusicherung gem § 22 Abs 2 SGB 2 keine Anspruchsvoraussetzung ist.
2. Eine Begrenzung der Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 nF auf die bisher angemessenen Aufwendungen ist nicht zulässig, wenn der Hilfebedürftige aus dem örtlichen Zuständigkeitsbereich eines Grundsicherungsträgers in den eines anderen Grundsicherungsträgers zieht. Aus verfassungsrechtlichen Gründen ist § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 dahingehend auszulegen, dass er nur für einen Umzug innerhalb desselben örtlichen Wohnungsmarktes, nicht aber für überörtliche Umzüge gilt (entgegen LSG Berlin-Potsdam vom 10.9.2009 - L 34 AS 1724/08).
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 2. Dezember 2008 sowie die Bescheide der Beklagten vom 17. Juli 2008 und 22. August 2008 insoweit abgeändert, als die Beklagte verpflichtet wird, für die Monate Mai bis Oktober 2008 Unterkunftskosten der Klägerinnen für die Bruttokaltmiete in Höhe von 390 EUR monatlich zuzüglich Wasserkosten und Heizungskosten, abzüglich der Kosten der Warmwasserbereitung, zu bewilligen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat 84,21 % der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerinnen begehren die vollständige Übernahme ihrer Unterkunftskosten durch die Beklagte.
Die im Jahr 1988 geborene Klägerin zu 1, erwerbsfähig und hilfebedürftig im Sinne des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB II), sowie ihre 2007 geborene, mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebende Tochter, die Klägerin zu 2, zogen zum 1. April 2008 von B. nach Hamburg um. In B. hatten sie bereits Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezogen, darunter Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 311 EUR. Eine Zustimmung des Leistungsträgers nach § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB II zur Anmietung der Wohnung in Hamburg, A.-Straße, liegt nicht vor. Die Stadt B. stellte ihre Leistungen zum 1. Mai 2008 ein.
Im April 2008 beantragten die Klägerinnen Leistungen nach dem SGB II gegenüber der Beklagten. Sie seien zur Familienzusammenführung nach Hamburg gezogen. Der Vater der Klägerin zu 2 befinde sich in Untersuchungshaft in Hamburg; Voraussetzung einer Haftverschonung sei, dass die Klägerin zu 1 als seine Lebensgefährtin in Hamburg wohnhaft sei. Auch seien Haftbesuche von B. aus aufgrund der hohen Kosten nicht möglich. Schließlich biete Hamburg größere Chancen für die Klägerin zu 1, ein Arbeitsverhältnis zu finden. Die Klägerinnen legten einen Mietvertrag ab 1. April 2008 über die Wohnung A.-Straße vor. Die Wohnung hat danach zwei Zimmer, ist 42 qm groß und sollte - nach den Maßstäben des SGB II angemessen - 360 EUR netto kalt zuzüglich 60 EUR Betriebskostenvorauszahlung kosten. Hinsichtlich der Heizkosten war eine Direktabrechnung mit dem Versorger vorgesehen. Das Baujahr des Gebäudes ist 1903, im Jahr 1997 fand eine Totalsanierung mit Aufstockung des Gebäudes statt.
Mit Schreiben vom 8. Juli 2008 reichte die Klägerin zu 1 ein Schreiben ihrer Vermieterin vom 4. Juli 2008 ein, nach dessen Inhalt die Klägerinnen ab Mai 2008 die Wasserkosten direkt mit den Hamburger Wasserwerken abrechneten und daher ab Mai 2008 die monatliche Betriebskostenvorauszahlung auf 30 EUR gesenkt wurde.
Mit Bescheid vom 17. Juli 2008 bewilligte die Beklagte für den Zeitraum 1. Mai bis 31. Oktober 2008 Leistungen nach dem SGB II, wobei Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 311 EUR monatlich anerkannt wurden.
Gegen diesen Bescheid legten die Klägerinnen mit Schreiben vom 7. August 2008 Widerspruch ein mit der Begründung, dass der Umzug notwendig gewesen sei und es daher nicht auf eine fehlende Zustimmung ankomme.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. August 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Unterkunftskosten könnten lediglich in Höhe der Kosten der vor dem Umzug genutzten Wohnung anerkannt werden, weil eine Zustimmung zum Umzug nicht eingeholt worden und der Umzug auch nicht notwendig gewesen sei. Insbesondere könne die Notwendigkeit einer Familienzusammenführung nicht anerkannt werden, weil der Lebensgefährte der Klägerin zu 1 und der Vater der Klägerin zu 2 sich in Haft befinde und lediglich eine Stunde wöchentlich besucht werden dürfe.
Am 17. September 2008 haben die Klägerinnen Klage erhoben. Sie meinen, die Regelung in § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II, nach der nach einem nicht erforderlichen Umzug die Unterkunftskosten in der Höhe der vorherigen Kosten gedeckelt werden, gelte nur bei Umzüg...