Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 5. Januar 2017 und die Bescheide der Beklagten von 31. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2016 aufgehoben.

2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit sind die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) mit Wirkung für die Vergangenheit und der daran anknüpfenden Erstattungsforderung.

Der am …1973 geborene Kläger legte am 29. September 2011 die Zweite juristische Staatsprüfung ab, meldete sich anschließend arbeitslos und bezog Alg. Nach seinen unwidersprochenen Angaben erklärte er bereits früh gegenüber der Beklagten, er wolle sich als Rechtsanwalt selbstständig machen. Am 29. Dezember 2011 teilte er der Beklagten mit, die Aufnahme einer solchen Tätigkeit werde sich angesichts erheblicher Finanzierungsprobleme noch verzögern, allerdings gehe er davon aus, bis Februar 2012 alles in die Wege geleitet zu haben. Im Vermerk der Beklagten vom selben Tage heißt es "neue Regelung GZ erläutert, fällt jetzt unter das neue Recht; Antragsunterlagen folgen". Am 26. Januar 2012 erfolgte seitens der Beklagten eine telefonische Beratung zum Gründungszuschuss. Im dazugehörigen Vermerk heißt es, es sei ein "AV-T" am 31. Januar 2012 mitgeteilt worden. Am 19. Januar 2012 schlossen der Kläger und die Rechtsanwaltskanzlei K. mit Wirkung zum gleichen Tag einen Kooperationsvertrag, wonach der Kläger ab demselben Datum als eigenständiger Rechtsanwalt - weisungsfrei - unter dem Namen der Kanzlei auftreten und im Rahmen dieser Tätigkeit einen Büroplatz der Kanzlei nutzen sollte (der Vertrag spricht ausdrücklich von einer Scheinsozietät in Bürogemeinschaft). Im Einzelnen sollte die Kanzlei dem Kläger einen Büroarbeitsplatz zur Verfügung stellen, ihn in den Außenauftritt der Kanzlei integrieren und ihn bei der Beschaffung und Betreuung von Mandaten unterstützen. Der Kläger sollte (nach § 2 Nrn. 1 und 4 des Vertrages) im eigenen Namen unter Firmierung der Kanzlei für seine Auftraggeber und nicht für die Kanzlei tätig sein und keinerlei Weisungen unterliegen. Er verpflichtete sich, für alle Voraussetzungen der Zulassung selbst zu sorgen und sich selbst zu versichern (§ 2 Nr. 5 des Vertrages). Einen entsprechenden Vertrag schloss der Kläger am 1. Februar 2012 mit sofortiger Wirkung auch mit Rechtsanwalt P. (in W. an der L.). Am 27. Januar 2012 holte der Kläger ein Angebot der A. GmbH hinsichtlich der für die Zulassung zur Anwaltschaft erforderlichen Vermögensschadens-Haftpflichtversicherung ein und schloss - ausweislich des Versicherungsscheins vom 9. Februar 2012 - eine solche Versicherung auch ab. Am 31. Januar 2012 schlossen die Beteiligten dieses Rechtsstreits eine Eingliederungsvereinbarung, in der als Zielsetzung die Niederlassung als Rechtsanwalt mit Standort in Hamburg vereinbart wurde; der Kläger verpflichtete sich dazu, mit dem Ziel einer Existenzgründung bis zum 1. April 2012 oder früher zeitnah einen tragfähigen Businessplan, die Begründung für den Antrag auf Gründungszuschuss, die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle sowie die Anmeldung beim Finanzamt vorzulegen. Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft habe er bereits beantragt. Die Beklagte verpflichtete sich, die "Förderungsvoraussetzungen für den Gründungszuschuss im Rahmen der Ermessensleistungen" zu prüfen. In einem Vermerk der Beklagten vom selben Tag heißt es u.a. "GZ-Beratung; Antrag ausgegeben". Am 16. Februar 2012 beantragte der Kläger die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und entrichtete am 28. Februar 2012 die erforderliche Gebühr. Die Zulassung erfolgte aufgrund von Verzögerungen im Bereich der Anwaltskammer am 23. Mai 2012, woraufhin der Kläger ab dem 1. Juni 2012 in den Kanzleien K. und P. als Rechtsanwalt tätig war.

Mit Bescheid vom 9. Juli 2012 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, der Kläger habe bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit nicht mehr über einen Restanspruch auf Alg von 150 Tagen verfügt. Nach erfolglosem Vor- (Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 2012) und Klageverfahren (Urteil vom 25. März 2015) hob der 2. Senat des Landessozialgerichts (LSG) Hamburg auf die mündliche Verhandlung vom 3. Februar 2016 das erstinstanzliche Urteil sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten auf und verurteilte die Beklagte, den Antrag des Klägers auf Gründungszuschuss unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Ausweislich der Entscheidungsgründe nahm er das Vorliegen aller Tatbestandsvoraussetzungen des maßgeblichen § 93 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der seit 1. April 2012 geltenden Fassung vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I 2854) an, wobei er als Aufnahmezeitpunkt den 28. Februar 2012 ansah, den Tag, an dem der Kläger durch Zahlung der Gebühr für die Zulassung als Rechtsanwalt durch Vornahme dieser Vorbereitungshandlung einen "point of no return" erreicht habe. D...

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