Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch des Vertragsarztes auf Genehmigung der Verlegung des Vertragsarztsitzes

 

Orientierungssatz

1. Der Vorschrift des § 24 Abs. 7 S. 1 Ärzte-ZV liegt das Konzept zugrunde, dass nach bestandskräftig erteilter vertragsärztlicher Zulassung nebst Festschreibung des darin genannten Vertragsarztsitzes dessen Verlegung beantragt werden kann.

2. Die Vorschrift gewährt einen gebundenen Anspruch auf Genehmigung der Verlegung: die Zulassungsgremien sind zur Genehmigung der Verlegung des Vertragsarztsitzes verpflichtet, wenn nicht Gründe der vertragsärztlichen Versorgung entgegenstehen (BSG Urteil vom 3. 8. 2016, B 6 KA 31/15 R).

3. Hierbei sind allein planerische, die Sicherstellung der Patientenversorgung betreffende Umstände zu prüfen. Der Zulassungsausschuss hat hierzu das Versorgungsangebot in beiden Bezirken zu ermitteln und die Versorgungslage miteinander zu vergleichen.

4. Das Erfordernis einer Genehmigung für die Verlegung des Vertragsarztsitzes stellt eine verfassungsrechtlich zulässige Regelung der Berufsausübung dar. Es dient der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung und damit einem wichtigen Gemeinwohlbelang.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 29.11.2017; Aktenzeichen B 6 KA 43/17 B)

 

Tenor

1. Das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 25. Mai 2015 und der Beschluss des Beklagten vom 3. September 2014 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, über den Widerspruch der Klägerin gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte - Hamburg - vom 23. April 2014 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen Klägerin und Beklagter je zur Hälfte. Die Beigeladenen tragen ihre Kosten jeweils selbst.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Genehmigung der Verlegung eines Vertragsarztsitzes von H1-H. in die H1er N ...

Die am ... 1963 geborene Klägerin ist Diplom-Psychologin. Sie wurde durch Beschluss des Beklagten vom 3. April 2013 ab dem 4. April 2013 mit Vertragsarztsitz im räumlichen Einzugsbereich des Vertragsarztsitzes des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie sowie für Psychotherapeutische Medizin Dr. T., mit hälftigem Versorgungsauftrag zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassen. Dem Beschluss war ein hälftiger Zulassungsverzicht durch Dr. T. sowie die Auswahl eines anderen Bewerbers durch den Zulassungsausschuss für Ärzte -H1 (i.F.: Zulassungsausschuss) vorausgegangen. In den Gründen des Beschlusses vom 3. April 2013 heißt es (unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 20. März 2013 - B 6 KA 19/12 R, im Beschluss noch nach dem Terminbericht zitiert), der Berufungsausschuss habe die Klägerin nur mit "Vertragssitz im räumlichen Einzugsbereich des Vertragsarztsitzes von Dr. T." zugelassen, weil in die Praxis eines auf seine Zulassung verzichtenden Arztes nur nachfolgen könne, wer seinen Sitz am "bisherigen Praxisort" nehmen wolle. Diese Voraussetzung hätten die beiden zuletzt verbliebenen Bewerber erst durch entsprechende Erklärungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsausschuss (die ebenfalls am 3. April 2013 stattfand) erfüllt. Hierauf habe der Berufungsausschuss besonderen Wert gelegt, weil der Stadtteil H. psychotherapeutisch eher schlecht versorgt sei und die Abwanderung eines jeden Sitzes in besser versorgte Stadtteile den bleibenden Mangel verschärfe. Der Berufungsausschuss habe deswegen bereits in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass nach seiner Auffassung einem bereits kurze Zeit nach Niederlassung oder nach Ablauf einer bloßen "Schamfrist" gestellten Antrag der Klägerin auf Sitzungsverlegung kaum entsprochen werden könnte.

Am 25. März 2014 beantragte die Klägerin die Genehmigung einer Praxisverlegung an die Anschrift: Sie habe in H. lediglich die Möglichkeit gefunden, nachmittags in den Räumen einer Allgemeinarztpraxis zu arbeiten. Da sie vormittags in ihrer Privatpraxis arbeite und an einem Tag in der Woche auch nach der Arbeit in H. dorthin zurückkehre, leide sie unter starker Erschöpfung. Die Suche nach einem geeigneten Behandlungsraum in H. sei bislang erfolglos verlaufen. Sie wolle daher ihre Privatpraxis auch für die vertragspsychotherapeutische Praxis nutzen. Für die Patienten stelle dies keinen höheren Aufwand dar, da sie ohnehin "in H1" tätig seien oder dort studierten. Auch H. Patienten aus schwierigen sozialen Verhältnissen verfügten in der Regel über sogenannte CC-Karten und könnten die Privatpraxis gut erreichen.

Der Zulassungsausschuss lehnte den Antrag mit Beschluss vom 23. April 2014 (zur Post gegeben am 18. Juni 2014) ab. Einer Verlegung stünden Gesichtspunkte der vertragsärztlichen Versorgung entgegen. Der Vertragsarztsitz befinde sich in H., wo auf 1.615 Einwohner über 18 Jahren ein Vertragspsychotherapeut komme. Im Stadtteil N. komme ein Vertragspsychotherapeut auf 360 Einwohner. Eine Verlegung des Sitzes weg aus einem Stadtteil, der ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge