Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen eines Anspruchs auf Sitzverlegung der vertragsärztlichen Praxis
Orientierungssatz
1. Nach § 24 Abs. 7 S. 1 Ärzte-ZV darf der Zulassungsausschuss den Antrag eines Vertragsarztes auf Verlegung seines Vertragsarztsitzes nur genehmigen, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dem nicht entgegenstehen.
2. Dabei sind nur die Sicherstellung der Patientenversorgung betreffende Umstände zu prüfen, d. h. die Bedarfsplanung und die Versorgungslage (BSG Urteil vom 30. 9. 2020, B 6 KA 18/19 R).
3. Zunächst ist zu prüfen, ob die Versorgungslage am bisherigen Vertragsarztsitz bei Verlegung beeinträchtigt wird. Die Versorgungslage am projektierten Sitz ist sodann zu prüfen. Hierbei ist eine vergleichende Bedarfsanalyse vorzunehmen.
4. Stehen einer Sitzverlegung mangels eines dadurch entstehenden deutlichen Ungleichgewichts in den Versorgungssituationen der betroffenen Bereiche keine Gründe der vertragsärztlichen Versorgung entgegen, so ist die Sitzverlegung der vertragsärztlichen Praxis zu genehmigen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichtes Duisburg vom 18. August 2019 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 2) bis 7), die ihre Kosten selbst tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Verlegung des Vertragsarztsitzes des Beigeladenen zu 1) innerhalb des Gebietes der Stadt Duisburg streitig.
Für die Arztgruppe der Chirurgen und Orthopäden in Duisburg bestehen seit 2018 durchgehend Zulassungsbeschränkungen. Die Versorgungsgrade bewegen sich seither stets zwischen 120% und knapp 131%. Sonderbedarfszulassungen wurden im Planungsbereich nicht zugestanden. Nach Auskunft der Klägerin wurden auch keine weiteren Zweigpraxisgenehmigungen erteilt.
Der 1964 geborene Beigeladene zu 1) ist Facharzt für Orthopädie und seit dem 1. Juli 2017 (noch) mit einem hälftigen Versorgungsauftrag zur vertragsärztlichen Versorgung am Vertragsarztsitz F-Straße 0 in 47051 Duisburg (Dellviertel) zugelassen. Er ist in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) mit Frau A (zunächst Versorgungsauftrag von 1,0; ab 1. Juli 2018 von 0,5) tätig. In der Praxis ist zudem als angestellte Ärztin Dr. K (0,5) und seit dem 1. Januar 2021 als angestellter Arzt Dr. B beschäftigt.
Am 25. Oktober 2017 beantragte der Beigeladene zu 1) bei dem Zulassungsausschuss für Ärzte Düsseldorf (ZA) die Verlegung seines seit Mitte 2005 dort bestehenden (hälftigen) Vertragsarztsitzes von der F-Straße 0 in 47051 Duisburg (Dellviertel) auf die H-Straße 0 in 47263 Duisburg (Großenbaum). Die Entfernung betrage ca. 8,3 km. Eine große Anzahl der Patienten komme aus dem Duisburger Süden. Sie benötigten eine Versorgung vor Ort.
Die Klägerin beantragte gegenüber dem ZA, der Verlegung des Vertragsarztsitzes nicht stattzugeben (Schreiben vom 5. Dezember 2017). Es stünden gewichtige Gründe der Patientenversorgung der Sitzverlegung entgegen. Es sei von einer Entfernung 8,5 km und einer Fahrzeit von 15 Minuten zwischen dem bisherigen und dem geplanten Praxissitz auszugehen. Die Versorgungssituation am bisherigen Praxissitz werde sich durch die Verlegung verschlechtern. Diesbezüglich bezog sie sich maßgeblich auf eine Stellungnahme ihres Kreisstellenvorsitzenden Dr. B vom 20. November 2017, auf deren weiteren Inhalt Bezug genommen wird. An dem geplanten Vertragsarztsitz (Postleitzahl [PLZ] 47269) seien bereits vier Orthopäden ansässig und im Nachbarstadtteil (PLZ 47259) weitere drei Ärzte derselben Fachgruppe. Unter Bezugnahme auf die Einwohnerzahl (lt. Wikipedia, Stand: 31. Dezember 2016) verwies die Klägerin darauf, dass es in dem bisherigen Ortsteil (PLZ 47051) und den direkten Nachbarstadtteilen mit den PLZen 47059, 47053 und 47058 aktuell keinen Orthopäden gebe. Die Versorgungslage stelle sich bereits jetzt als schwierig dar und werde durch den Weggang des hälftigen Versorgungsauftrags weiter zugespitzt.
Der Beigeladene zu 1) teilte mit, dass er dieser Einschätzung nicht entnehmen könne, welche drei Ärzte derselben Fachgruppe den Nachbarstadtteil abdecken würden (Stellungnahme vom 6. Dezember 2017). Die sich bislang im Duisburger Süden befindliche BAG mit vier Orthopäden werde nach Huckingen verlegt. Ihm sei nur Dr. N1 bekannt. In der Stadtmitte seien hingegen insgesamt fünf Orthopäden verfügbar. Von dort aus würden die Stadtteile Neuenkamp und Hochfeld mit abgedeckt. Sowohl für die Hochfelder Einwohner als auch die des Stadtteils Kasslerfeld sei es zudem verkehrstechnisch unproblematisch, auf die andere Rheinseite auszuweichen. Dort befinde sich in ca. 10minütiger Entfernung eine weitere BAG. Im Stadtteil Neudorf bestehe eine orthopädische Praxis, die die Teile Neudorf und Duissern abdecke. Zudem verwies er darauf, dass lediglich ein hälftiger Versorgungsauftrag verlegt werden solle, hingegen 1,5 Versorgungsaufträge in der Stadt-Mitte verblieben (Frau A und Frau Dr. K).
Der ZA gab dem Antrag des Beigeladenen ...