Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherungspflicht. Pflegeperson in der Krankenpflege. Physiotherapeut. Logopäde. Grundsätzliche Versicherungspflicht des selbständig tätigen Physiotherapeuten

 

Leitsatz (redaktionell)

Wer eine selbstständige Tätigkeit als Physiotherapeut ausübt, unterliegt der Rentenversicherungspflicht nach § 2 S. 1 Nr. 2 SGB VI.

 

Normenkette

SGB VI § 2 S. 1 Nr. 2; GG Art. 3 Abs. 1

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 6. Dezember 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten (noch) über die Versicherungs- und Beitragspflicht der Klägerin als selbständige Physiotherapeutin in der Zeit vom 1. Januar 2002 bis 31. Juli 2006.

Die Klägerin betrieb in der Zeit vom 1. Februar 2001 bis zum 31. August 2009 eine Physiotherapiepraxis in H., in der sie ab dem 1. August 2006 zwei Mitarbeiter beschäftigte.

Die Beklagte erließ gegenüber der Klägerin folgende Bescheide:

___AMPX_•_SEMIKOLONX___X Bescheid vom 14. Dezember 2004 - Feststellung der Versicherungspflicht und Be-rechnung der Beitragsforderung für die Zeit vom 1. Januar 2001 bis 31. Dezember 2004, ___AMPX_•_SEMIKOLONX___X Bescheid vom 1. Februar 2005 - Berechnung rückständiger Beiträge und Säumniszuschläge, ___AMPX_•_SEMIKOLONX___X Bescheid vom 28. Februar 2005 - Berechnung rückständiger Beiträge und Säumniszuschläge, ___AMPX_•_SEMIKOLONX___X Bescheid vom 11. Januar 2006 - Berechnung der Beitragsforderung für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2005 und ab 1. Januar 2006 (dabei ab 1. Dezember 2005 Geltendmachung des Regelbeitrags), ___AMPX_•_SEMIKOLONX___X Bescheid vom 15. August 2006 - Abhilfeentscheidung hinsichtlich des Jahres 2001 (selbständige Tätigkeit lediglich in geringfügigem Umfang), ___AMPX_•_SEMIKOLONX___X Bescheid vom 27. Februar 2009 - Änderung der Beitragshöhe ab 1. Januar 2006, ___AMPX_•_SEMIKOLONX___X Weiterer Bescheid vom 27. Februar 2009 - Aufhebung der Beitragsforderung ab 1. August 2006 wegen der Beschäftigung von Arbeitnehmern, ___AMPX_•_SEMIKOLONX___X Bescheid vom 2. Juni 2010 - Feststellung des Endes der Versicherungspflicht mit dem 31. August 2009 wegen Tätigkeitsaufgabe.

Gegen die Bescheide aus den Jahren 2004, 2005 und 2006 - mit Ausnahme des Bescheides vom 15. August 2006 - legte die Klägerin Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2007 zurückgewiesen wurde.

Hiergegen hat die Klägerin am 14. Februar 2007 Klage erhoben, die sie später auch gegen die Bescheide vom 27. Februar 2009 und 2. Juni 2010 gerichtet hat. Mit Urteil vom 6. Dezember 2010 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und sämtliche angegrif-fenen Bescheide aufgehoben. Die Klägerin sei während ihrer selbstständigen Tätigkeit als Physiotherapeutin nicht gemäß § 2 Satz 1 Nr. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) versicherungspflichtig gewesen. Entgegen der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts handele es sich bei Physiotherapeuten nicht um versicherungspflichtige Pflegepersonen in der Krankenpflege. Wenn nämlich Logopäden vom Bundesozialgericht als versicherungsfrei beurteilt würden, dann seien bei einem Vergleich von Ausbildung und Tätigkeit selbstständiger Physiotherapeuten und Logopäden keine Unterschiede erkennbar, die es rechtfertigen könnten, Physiotherapeuten hinsichtlich der Frage der Versicherungspflicht anders als Logopäden zu behandeln. Wie diese müssten die Physiotherapeuten daher als nicht versicherungspflichtig gelten.

Gegen die ihr am 8. Februar 2011 zugestellte Entscheidung, auf die Bezug genommen wird, hat die Beklagte am 4. März 2011 Berufung eingelegt. Das Urteil sei unzutreffend. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteile vom 11. November 2003, B 12 RA 2/03; 12. Januar 2007, B 12 R 14/06 B; 22. Juni 2005, B 12 RA 6/04 R und 10. Mai 2006, B 12 RA 2/05 R; bestätigt vom Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 25. Mai 2007, 1 BvR 1045/07) unterlägen selbstständig tätige Physiotherapeuten der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung. Obwohl die Frage einer möglichen Unzulässigkeit der Andersbehandlung von Physiotherapeuten und Logo-päden bei der Versicherungspflicht im Falle einer selbstständigen Tätigkeit gesehen wor-den sei, hätten die Gerichte - so auch das Landessozialgericht Hamburg im Urteil vom 18. September 2007 (L 3 R 129/05) unter Auswertung des Urteils des Oberverwaltungs-gerichts Rheinland-Pfalz vom 21. November 2006 (6 A 10271/06) - an der Versicherungspflicht festgehalten. Inzwischen habe das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 9. Juli 2008 (VG AN 9 K 07.03319), auf welches das Sozialgericht seine Argumentation in der angegriffenen Entscheidung gestützt habe, aufgehoben und entschieden, dass Physiotherapeuten nicht unabhängig von einer ärztlichen Verordnung tätig werden könnten und damit nicht zur Au...

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