Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung: Rente wegen Erwerbsminderung. zulässige Verweisungstätigkeit und Berufsschutz bei einem Verkäufer. Anforderungen an die Annahme einer fehlenden Wegefähigkeit. Auferlegung von Verschuldenskosten bei missbräuchlicher Rechtsverfolgung. Anlerntätigkeit
Orientierungssatz
1. Bei einer Berufsausbildung und Berufsausübung als Verkäufer mit einer zweijährigen Berufsausbildungsdauer kommt im Rahmen der Regelungen zur Erwerbsminderungsrente ein Berufsschutz nicht in Betracht. Vielmehr ist als Verweisungstätigkeit eine Anlerntätigkeit anzunehmen.
2. Jedenfalls für das Bundesland Hamburg ist im Zeitpunkt der Entscheidung davon auszugehen, dass ein offener Arbeitsmarkt für besonders leichte angelernte Tätigkeiten besteht.
3. Von einer fehlenden Wegefähigkeit zur zumutbaren Erreichbarkeit einer Arbeitsstätte wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen kann erst ausgegangen werden, wenn der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, eine Distanz von 500 Metern in weniger als 20 Minuten zurück zu legen.
4. Einzelfall zur Auferlegung von Verschuldenskosten bei missbräuchlicher Fortführung des Verfahrens.
Normenkette
SGB VI §§ 43, 240; SGG § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Klägerin werden gerichtliche Verschuldenskosten in Höhe von 1.000 EUR auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung im Streit.
Die am ... 1960 geborene Klägerin erlernte vom 1. September 1978 bis 31. August 1979 den Beruf einer Verkäuferin für Uhren und Schmuck und schloss diese Ausbildung ... 1980 erfolgreich ab. In diesem Beruf arbeitete sie bis zum Mai 1997. Danach war sie aufgrund Schließung des Beschäftigungsbetriebes arbeitslos und erhielt Arbeitslosengeld bis zur Erschöpfung des Anspruchs. Vom 1. bis 15. April 1999 ging sie einer geringfügigen versicherungsfreien Beschäftigung nach. Danach war sie nicht mehr erwerbstätig.
Bei einem Sturz mit ihrem Motorroller im August 1999 erlitt sie eine laterale Tibiakopfimpressionsfraktur des rechten Kniegelenks (Schienbeinkopffraktur) mit knöchernem Ausriss des vorderen Kreuzbands sowie eine subcapitale Humerusfraktur (Oberarmkopfbruch) rechts. Die Knieverletzung wurde osteosynthetisch, die Schulter konservativ versorgt. Wegen fortdauernder Beschwerden im rechten Kniegelenk wurde dieses im April 2001 endoprothetisch ersetzt. Vom 4. bis 24. Mai 2001 fand eine Anschluss-Rehabilitationsbehandlung in der Rheuma-Klinik B. statt. Im Abschlussbericht der Klinik vom 6. Juni 2001 heißt es, grundsätzlich bestehe ein Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen. Zu vermeiden sei das häufige Bücken, das Arbeiten in Zwangshaltungen sowie das schwere Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten. Tätigkeiten mit verstärkter Beugung im rechten Kniegelenk könnten nicht durchgeführt werden, die Gehstrecke sei vermindert. Die schmerzfreie Gehstrecke habe während der Heilbehandlung zuletzt 2 bis 3 km betragen. Auf der Grundlage dieses Leistungsbildes ergebe sich für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit ein Leistungsvermögen von 3 bis unter 6 Stunden. Im Übrigen bestehe ein Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr.
Am 17. November 2001 beantragte die Klägerin die vorliegend streitige Rente. Die Beklagte ließ sie durch den Orthopäden Dr. H. untersuchen, der in seinem Gutachten vom 2. März 2002 zu der Einschätzung gelangte, dass die Klägerin in ihrem zuletzt ausgeübten Beruf nur noch unter 3 Stunden täglich tätig sein, leichte Tätigkeiten jedoch 6 Stunden täglich und mehr verrichten könne. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25. März 2002 die begehrte Rente ab. Zur Begründung ihres hiergegen erhobenen Widerspruchs trug die Klägerin vor, nicht mehr in der Lage zu sein, mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach einer Belastung von einer halben Stunde müsse sie pausieren und ihr Knie hochlegen. Sie habe massive Schmerzen, die sich bei Belastung verstärkten. Mit Blick auf die Schmerzangabe ließ die Beklagte die Versicherte neurologisch-psychiatrisch durch Dr. S. untersuchen. Dr. S. vermochte ein aufgehobenes Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ebenso wenig festzustellen, wie Dr. N. aufgrund erneuter orthopädischer Untersuchung am 2. Juni 2003. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. September 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zwar könne die Klägerin ihren letzten Beruf als Verkäuferin nicht mehr ausüben, jedoch könne sie mehr als 6 Stunden täglich als Telefonistin oder aber auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein.
Zur Begründung ihrer daraufhin fristgerecht erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, eine Verweisung auf eine ungelernte Tätigkeit komme nicht in Betracht. Vielmehr genieße sie aufgrund ihrer Ausbildung Berufsschutz. Deshalb sei weder eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch als Telefonistin sozial zumutbar. Auch werd...