Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs des Versicherten gegen dessen Krankenkasse

 

Orientierungssatz

1. Der Kostenerstattungsanspruch des Versicherten nach § 13 Abs. 3 S. 1 Var. 2 SGB 5 setzt einen Kausalzusammenhang zwischen der rechtswidrigen Ablehnung der beantragten Leistung und der Kostenlast des Versicherten voraus.

2. Daran fehlt es, wenn der Versicherte den Beschaffungsweg nicht eingehalten hat. Das ist u. a. dann der Fall, wenn er vor Bescheiderteilung sich zur Durchführung der beantragten Therapie in der Klinik angemeldet und deren gesamte Kosten gezahlt hat.

3. Eine unaufschiebbare Leistung i. S. des § 13 Abs. 3 S. 1 Var. 1 SGB 5 liegt dann nicht vor, wenn es der gesundheitliche Zustand des Versicherten erlaubt, die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten.

4. Im Übrigen ist ein Kostenerstattungsanspruch des Versicherten mangels eines zu dessen Gunsten bestehenden Primärleistungsanspruchs ausgeschlossen.

 

Tenor

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 26.283,00 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Im Streit ist ein Anspruch auf Erstattung der Kosten einer selbst beschafften Protonentherapie bei Prostatakarzinom inklusive Nebenleistungen wie Übernachtungen sowohl des behandelten Versicherten als auch seiner das Verfahren nach dessen Tod fortführenden Witwe.

Die Klägerin ist als alleinige Erbin Rechtsnachfolgerin des am ... 1940 geborenen und am ... 2017 verstorbenen W. (im Folgenden: Versicherter). Dieser war bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Bei dem Versicherten wurde Anfang Oktober 2014 durch eine Stanzbiopsie bei seinem niedergelassenen Urologen ein Prostatakarzinom (Gleason 6) nachgewiesen. Am 30. Oktober 2014 erfolgten bei ihm Staging-Untersuchungen mittels CT und Skelettszintigraphie, die keinen Nachweis von Metastasen ergaben. Der Versicherte entschied sich vor diesem Hintergrund, eine Lokaltherapie in Gestalt einer Protonen-Strahlentherapie durchzuführen und meldete sich hierfür am 10. November 2014 im R. in M. an.

Am 13. November 2014 wandte der Versicherte sich telefonisch an die Beklagte und teilte mit, dass er Fragen zur Protonentherapie in der Chirurgischen Klinik Dr. R. habe. Er habe sich bereits mit der Klinik in Verbindung gesetzt und Unterlagen erhalten, unter anderem einen Kostenvoranschlag und einen Antrag für die Krankenkasse. Es wurde vereinbart, dass seitens der Beklagten ein Rückruf erfolgen werde.

Anlässlich des Telefonats übersandte der Versicherte an die Beklagte einen Kostenvoranschlag der Chirurgischen Klinik Dr. R. vom 12. November 2014 über einen Rechnungsbetrag von 21.100,00 Euro. Dieser enthielt folgenden Hinweis:

In der Rechnung werden die diagnostischen Leistungen und alle erforderlichen Bestrahlungssitzungen der Protonenbestrahlung sowie die erbrachten ärztlichen Leistungen inklusive aller Sachkosten mit einer Pauschale von 21.100,00 € angesetzt. Bitte leisten Sie bis 1 Woche vor Ihrem Eintreffen in das R., also bis 1 Woche vor dem Beginn von Diagnostik und Therapie, eine Vorauszahlung in der veranschlagten Höhe durch rechtzeitige Überweisung mit Angabe Ihres Namens und der o. g. Nr. des Kostenvoranschlages auf das Konto: ...

Daneben übersandte er einen weiteren Kostenvoranschlag des Gästehauses am R. vom 12. November 2014, wonach sich die Kosten für 30 Übernachtungen auf 3.660,00 Euro beliefen und im Falle des Mitbringens einer Begleitperson für diese 90,00 Euro je Nacht inklusive Frühstück im Zimmer des Patienten bzw. 140,00 Euro in einem Einzelzimmer berechnet werden würden.

In einem Begleitschreiben der Chirurgischen Klinik Dr. R. vom 12. November 2014 teilte die Fachärztin für Strahlentherapie Dr. B. mit, dass sich der Versicherte über die verschiedenen Therapiemöglichkeiten beim Prostatakarzinom kundig gemacht habe. Er sei nicht bereit gewesen, die bei einer Resektion des Prostatakarzinoms eventuellen Nebenwirkungen der Inkontinenz und Impotenz für sich zu akzeptieren. Auch lehne er den für ihn sehr belastenden Ablauf eines operativen Eingriffes (Operationsrisiko) mit Narkose (Narkoserisiko), den Verbleib auf der Aufwachstation, den stationären Aufenthalt mit Behandlung der Schmerzsymptomatik, der passageren Darmatonie als Operationsfolge, das Tragen eines Blasenkatheters und das anschließende Beckenbodentraining auch nach der Entlassung aus der stationären Behandlung oder einer eventuellen Rehabilitationsmaßnahme ab. Der Versicherte habe sich zudem über die lokalen Therapiemöglichkeiten, insbesondere die verschiedenen Möglichkeiten der Radiotherapie, informiert und sich aufgrund seiner Recherchen und Aufklärungsinformationen über die Nebenwirkungen der Röntgentherapie-Modalitäten im Vergleich zur Protonentherapie für die Behandlung seines Prostatakarzinoms mit Protonentherapie entschieden. Mittels der Protonentherapie sei es möglich, im Tumor selbst eine hohe Strahlendosis zu appliz...

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