Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit des Regelbedarfs im Recht der Grundsicherung
Orientierungssatz
1. Der Gesetzgeber hat den Regelbedarf in § 20 Abs. 2 S. 1 SGB 2 pauschal typisierend festgelegt. Daran sind Grundsicherungsträger und Gericht gebunden.
2. Das BVerfG hat zuletzt im Urteil vom 23. 7. 2014 entschieden, dass die betreffende Bestimmung mit Verfassungsrecht in Einklang steht (Anschluss BVerfG Urteil vom 23. 7. 2014, 1 BvL 10/12).
3. Ein Anspruch auf Zuerkennung eines Mehrbedarfs nach der Härtefallregelung des § 21 Abs. 6 SGB 2 setzt u. a. einen besonderen Bedarf allein aus quantitativen Gründen voraus. Ein solcher Mehrbedarf ist bei einem Betrag von weniger als 3.- €. für Zahncreme, Mundspülung und Öl bereits aus rein quantitativen Gründen ausgeschlossen.
4. Diabetes mellitus vom Typ 2 und Bluthochdruck begründen keinen ernährungsbedingten Mehrbedarf nach § 21 Abs. 5 SGB 2.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Bewilligung höherer monatlicher Regelbedarfsleistungen und Mehrbedarfe für Krankenkost und für weitere laufende Aufwendungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Bewilligungszeitraum vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2013.
Der 1961 geborene alleinstehende Kläger ist seit längerem hilfebedürftig und bezieht laufend Leistungen nach dem SGB II von dem Beklagten. In dem betreffenden Zeitraum war er erwerbsfähig und schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50.
Mit Bescheid vom 24. Mai 2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger neben Unterkunftskosten in Höhe von monatlich 431,23 EUR für die Monate von Januar 2013 bis Juni 2013 Regelbedarfsleistungen in Höhe von monatlich 374 EUR. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 7. Juni 2012 Widerspruch ein und forderte höhere Regelbedarfsleistungen. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2012 zurück. Zur Begründung gab er an, dass die bewilligten Regelleistungen der derzeitigen Gesetzeslage entsprächen.
Hiergegen hat der Kläger am 19. Juli 2012 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben. Diese hat er damit begründet, dass seiner Auffassung nach die Regelsatzhöhe insbesondere für dauerhafte Transferleistungsbezieher zu gering sei. Sie müsse mindestens 511 EUR monatlich betragen. Die bisherigen Regelsatzleistungen liefen den Grundsätzen der Völkerrechtskonventionen - insbesondere den Menschenrechten und den Rechten für Behinderte - zuwider.
Mit Gerichtsbescheid vom 12. Oktober 2012 (S 61 AS 2279/12) hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Beklagte den Regelsatz zu Recht auf monatlich 374 EUR festgesetzt habe. Die neuen Regelbedarfe seien durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 (BGBl. I, S. 453) festgelegt worden. An dieses Gesetz sei das Gericht gebunden. Es könne das Gesetz nur dem Bundesverfassungsgericht vorlegen. Dafür müsse es von der Verfassungswidrigkeit des einfachen Gesetzes überzeugt sein. Für eine Verfassungswidrigkeit des neuen Regelbedarfsgesetzes gebe es aber keine Anhaltspunkte. Die Höhe des Regelbedarfs für Alleinstehende sei vom Gesetzgeber für die Zeit ab 1. Juli 2011 nicht in verfassungswidriger Weise zu niedrig angesetzt worden. Die einschlägigen Bestimmungen in §§ 19 Abs. 1 Satz 1, 20 Abs. 1 und 2 Satz 1 SGB II seien mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 des Grundgesetzes vereinbar. Die im Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. April 2012 (S 5 AS 9238/12) vorgebrachten Argumente überzeugten nicht. Das Gericht schließe sich vielmehr in vollem Umfang den Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 12. Juli 2012 (B 14 AS 153/11 R und B 14 AS 189/11 R) an. Auch bestünden keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dauerhafte Transferleistungsbezieher einen höheren Bedarf hätten, als nur vorübergehend im Leistungsbezug stehende Personen.
Gegen den ihm am 22. Oktober 2012 zugestellten Gerichtsbescheid (Az. S 61 AS 2279/12) hat der Kläger am 1. November 2012 Berufung eingelegt. Er verfolgt seine Leistungsbegehren weiter und wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend trägt er im Wesentlichen vor, dass bei ihm ein höherer Regelbedarf bestehe, weil er sonst nicht alle seine laufenden Kosten wie Vereins- und Versicherungsbeiträge und Aufwendungen für Heil- und Hilfsmittel bestreiten könne, ohne täglich die unentgeltlichen Suppenküchen in Anspruch zu nehmen. Ein höherer Regelsatz von mindestens 511 EUR monatlich ergebe sich aus den Empfehlungen der "Arbeitsgruppe Regelsatz und Unterkunftskosten" der "Hartz IV-Kommission". Zudem sei schon mehreren Autoren, die sich kritisch mit dem Regelbedarf auseinander gesetzt hätten, aufgefallen, dass zur Bedarfsdeckung bei Personen, die schon lange Zeit Transferleistungen bezögen, höhere monatliche Leistungen notwendig seien. Außer Acht gelassen habe das Sozial...