Entscheidungsstichwort (Thema)

Übernahme von Behandlungskosten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz

 

Orientierungssatz

1. Da das AsylbLG keine dem § 25 SGB 12 vergleichbare Regelung kennt, findet eine analoge Anwendung des § 25 SGB 12 statt. Auch wenn die Vorschrift ausdrücklich auf Sozialhilfe beschränkt ist, die für Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG ausgeschlossen ist, so dürfen Tatbestand und Rechtsfolgen auf das Sachgebiet des AsylbLG ausgedehnt werden, weil der Normzweck einer auch für das AsylbLG festzustellenden gleichartigen Interessenlage entspricht.

2. Anspruchsvoraussetzung ist jedoch außerdem, dass ein sogenannter Eilfall vorliegt.

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 3. Januar 2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die außergerichtlichen Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten, die Kosten der stationären Behandlung der Beteiligten (im Folgenden: Patientin) in ihrer Klinik im Zeitraum 18. Februar 2008 bis 16. April 2008 in Höhe von 12.510,11 EUR zu übernehmen.

Die Patientin war (nach ihren eigenen Angaben im aufenthaltsrechtlichen Anhörungsverfahren) am 20. August 2007 ohne das erforderliche Visum in das Bundesgebiet eingereist und von Schleppern in H. abgesetzt worden. Dort lernte sie den späteren Vater ihrer beiden Kinder kennen, folgte ihm in dessen Wohnung in W. an der L. und lebte dort mit ihm zusammen, ohne dass sie oder ihr Lebensgefährte Sozialleistungen bezogen.

Einen Antrag auf Erteilung einer Duldung, dem ein Schreiben des Familienplanungszentrums H. e.V. vom 7. Februar 2008 beigefügt war, in dem der Patientin Komplikationen bei einer Zwillingsschwangerschaft und daraus folgender Reiseunfähigkeit attestiert wurde, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 19. März 2008 ab. Mit Schreiben vom 16. April 2008 teilte der Beklagte der Patientin mit, dass kraft Gesetzes eine Duldungsfiktion entstanden sei mit räumlicher Beschränkung auf den Bereich der Beigeladenen, und dass er weiterhin für ausländerrechtliche Angelegenheiten nicht zuständig sei. Mit Bescheid vom 10. Juni 2008 wies die Beigeladene die Patientin einer Erstaufnahmeeinrichtung in ihrem Zuständigkeitsbereich zu und erteilte eine Duldung.

Die Klägerin ist Betreiberin einer Klinik, in die die Patientin am Montag, den 18. Februar 2008 um 13.27 Uhr wegen einer Zwillingsschwangerschaft mit Komplikationen aufgenommen worden war. Mit Schreiben vom 22. Februar 2008, das am 28. Februar 2008 bei dem Beklagten einging, stellte die Klägerin einen Antrag auf Übernahme der stationären Behandlungskosten. Diesem Schreiben fügte sie ein Dringlichkeitsattest und eine Mittellosigkeitserklärung der Patientin vom 19. Februar 2012 bei. Der Erhalt von Sozialhilfe wurde darauf nicht bescheinigt.

Am 10. April 2008 brachte die Patientin Zwillinge ca. zwei Monate vor dem errechneten Geburtstermin zur Welt. Die Patientin verließ am 16. April 2008 die klägerische Klinik; die Entlassung ihrer beiden Kinder erfolgte erst im Juni 2008. Die Behandlungskosten für die beiden Kinder übernahm die Krankenversicherung des Vaters, der die Vaterschaft am 9. Juni 2008 anerkannte.

Mit Kurzmitteilung vom 25. April 2008 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Kostenübernahme ab, da die Beigeladene eine Duldung für die Patientin ausgestellt habe. Im Übrigen sei die Patientin dort nicht bekannt; eine Kostenübernahme könne vom Beigeladenen oder dem Kindsvater gefordert werden. Eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt die Kurzmitteilung nicht.

Mit weiterer Kurzmitteilung vom 6. Mai 2008 lehnte der Beklagte eine Kostenübernahme erneut ab mit dem Hinweis, dass die Patientin nicht bekannt sei. Auch dieses Schreiben enthielt keine Rechtsmittelbelehrung.

Der hiergegen eingelegte Widerspruch vom 14. Dezember 2008 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2009 zurückgewiesen, da der Beklagte für Leistung nach § 4 Abs. 2 AsylbLG nicht zuständig sei. Da sich die Patientin vor der Aufnahme in die Klinik unerlaubt im Bundesgebiet aufgehalten habe, habe sie auch keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet. Der Beklagte habe erst zu einem Zeitpunkt vom Aufenthalt der Patientin im Bundesgebiet erfahren, als diese sich in der Klinik und somit im Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen aufgehalten habe. Im Übrigen sei Anspruchsinhaberin die Patientin selbst.

Mit der am 11. August 2009 erhobenen Klage hat die Klägerin ihren Anspruch weiter verfolgt. Ihr stehe ein Erstattungsanspruch als Nothelferin zu, da ein Eilfall vorgelegen habe. Der Beklagte sei auch unverzüglich über den Notfall informiert worden. Die Mittellosigkeit der Patientin sei unstreitig. Der Klägerin stehe ein Anspruch nach § 25 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu, da die Patientin vor Aufnahme in die Klinik einen gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten begründet habe.

Der Beklagte hat das Vorliegen eines Eilfalles bestritten, da der Patientin bereits am 7. Februar 2008 ...

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