Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. Hauptmerkmal einer chronischen Erkrankung. zu den Voraussetzungen der Nebendiagnose ICD-10-GM Nr N17.91 bei nicht gemessenem Kreatinausgangswert. hinreichende Sicherheit des Vorliegens eines akuten Nierenversagens bei normalisierter Nierenfunktion am Entlassungstag
Orientierungssatz
1. Hauptmerkmal einer chronischen Erkrankung ist, dass diese nicht nur lange andauert, sondern nur schwer oder gar nicht geteilt werden kann.
2. Liegt am Entlassungstag eine normalisierte Nierenfunktion vor, ist ein chronisches Leiden nicht wahrscheinlich, sodass mit hinreichender Sicherheit von einem akuten Nierenversagen auszugehen ist.
3. Bei Feststellung eines Kreatinwertes von 1,8 mg/dl am Aufnahmetag, 1,6 mg/dl am folgenden Tag, 1,2 mg/dl vier Tage nach Aufnahme und - altersentsprechend normalen - 1,1 mg/dl 19 Tage nach Aufnahme vor der Entlassung liegt eine zeitliche Entwicklung der Beschwerden vor, bei welcher mit hinreichender Sicherheit von einem Anstieg der Kreatinwerte um mindestens 50 % innerhalb von sieben Tagen vor der stationären Aufnahme ausgegangen werden kann, auch wenn dieser Ausgangswert vorliegend nur geschätzt und nicht gemessen wurde. Bei dieser Sachlage ist eine Kodierung der Nebendiagnose ICD-10-GM N17.91 möglich.
Tenor
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Im Streit ist ein Anspruch auf Vergütung wegen vollstationärer Krankenhausbehandlung und dabei die Frage der Kodierung der Nebendiagnose N17.91 (Akutes Nierenversagen, nicht näher bezeichnet: Stadium 1) bei nicht bekanntem Kreatininausgangswert.
Die 1938 geborene, bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte W. (im Folgenden: Versicherte) wurde in der Zeit vom 1. bis zum 21. März 2017 in dem von der Klägerin betriebenen, nach § 108 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenen Krankenhaus vollstationär behandelt. Die Aufnahme erfolgte nach in der letzten Woche davor aufgetretener zunehmender Luftnot mit Beschwerden in Ruhe zur Behandlung einer dekompensierten Linksherzinsuffizienz. Am Aufnahmetag wurde bei der Versicherten als Hinweis auf eine gleichzeitig bestehende Nierenfunktionsstörung ein gegenüber dem Normbereich deutlich erhöhter Kreatinin-Wert von 1,8 mg/dl festgestellt. Dieser reduzierte sich unter Behandlung im Laufe des stationären Aufenthaltes auf zunächst 1,6 mg/dl am 2. März 2017 und 1,2 mg/dl am 5. März 2017, nach einer letzten Messung vor der Entlassung der Versicherten lag der Kreatinin-Spiegel am 20. März 2017 schließlich bei einem altersentsprechenden Normalwert von 1,1 mg/dl.
Nach Entlassung der Versicherten rechnete die Klägerin am 22. März 2017 die Behandlung unter Zugrundelegung der Fallpauschale (Diagnosis Related Group ≪DRG≫ F52A (Perkutane Koronarangioplastie mit komplexer Diagnose, mit äußerst schweren CC; Kostengewicht 2,534) mit insgesamt 8673,38 Euro ab. Zugrunde lag u.a. die Kodierung der Nebendiagnose N17.91.
Die Beklagte beglich diese Kosten zunächst, beauftragte jedoch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer Begutachtung des Falles. Dieser kam in seinen Gutachten vom 20. September und 4. Dezember 2017 zu dem Ergebnis, dass die Nebendiagnose N17.91 umzukodieren sei in die Diagnose N19 (Niereninsuffizienz; nicht näher bezeichnet). Ein akutes Nierenversagen sei weder bestätigt noch therapiert worden. Danach ergebe sich die DRG F58A (Perkutane Koronarangioplastie mit äußerst schweren CC; Kostengewicht 1,931). Am 4. Oktober 2017 verrechnete die Beklagte den behaupteten, sich aus der Differenz der DRGs F52A und F58A ergebenden öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch in Höhe von 2020,05 Euro mit unstreitigen Vergütungsforderungen aus einem anderen Behandlungsfall.
Am 3. August 2018 hat die Klägerin den verrechneten Betrag nebst Zinsen beim Sozialgericht (SG) Hamburg eingeklagt und darauf verwiesen, dass die Versicherte wegen der Nierenfunktionsstörung gespült worden sei und Furosemid erhalten habe. Es seien auch Gewichts- und Ein- und Ausfuhrkontrollen durchgeführt worden. Daraufhin sei der Kreatinin-Wert gesunken.
Die Beklagte hat demgegenüber vorgetragen, die Verringerung des Kreatinin-Wertes im Laufe des stationären Aufenthaltes allein könne das akute Nierenversagen nicht belegen. Für die Kodierung der Nebendiagnose N17.91 hätte zunächst ein definierter Anstieg des Kreatinin-Wertes gemessen worden sein müssen.
Das SG hat daraufhin Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von dem Facharzt für Innere Medizin, Nephrologie, Diabetologie und Lipidologie DGFF, Dr. med. T., MBA. In seinem Gutachten vom 11. Februar 2019 und der ergänzenden Stellungnahme vom 25. Mai 2019 ist der Sachverständige zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin im vorliegenden Fall die Nebendiagnose N17.91 zu Recht kodiert habe. Er hat dazu insbesondere ausgeführt, dass in Ermangelung eines Ausgangswertes der Kreatinin-Wert n...