Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. keine Erforderlichkeit einer vollstationären Behandlung. keine Abrechnung einer fiktiven teilstationären Behandlung
Orientierungssatz
1. Ob einem Versicherten vollstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richtet sich allein nach den medizinischen Erfordernissen. Ermöglicht der Gesundheitszustand des Patienten, das Behandlungsziel durch andere Maßnahmen, insbesondere durch ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege, zu erreichen, besteht kein Anspruch auf stationäre Behandlung. Es ist nicht Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, die für eine erfolgreiche Krankenbehandlung notwendigen gesellschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen zu schaffen oder diesbezügliche Defizite durch eine Erweiterung des gesetzlichen Leistungsspektrums auszuweiten.
2. Hat ein Krankenhaus eine nicht erforderliche vollstationäre Behandlung erbracht, kann es nicht unter dem Gesichtspunkt des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens eine teilstationäre Behandlung abrechnen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären psychiatrischen Krankenhausbehandlung.
Eine 1967 geborene Versicherte der Beklagten wurde vom 26. September 2006 bis zum 27. Februar 2007 stationär im Krankenhaus der Klägerin behandelt. Die Aufnahme erfolgte zum qualifizierten stationären Entzug von Cannabis. Im Verlauf der Behandlung zeigte sich zunehmend eine interaktionelle und strukturelle Problematik mit starken Stimmungsschwankungen und Überforderungsgefühlen sowie depressiven und ängstlichen Symptomen, die seitens der behandelnden Ärzte als schwere Selbstwertsymptomatik auf Borderline-Abwehrniveau gewertet wurde. Die Versicherte wurde deshalb nach Abschluss der Entzugstherapie am 30. Oktober 2006 auf die Psychotherapiestation verlegt und dort bis zum 27. Februar 2007 weiterbehandelt.
Die Beklagte bezahlte den von der Klägerin für die Behandlung in Rechnung gestellten Gesamtbetrag zunächst vollständig. Sie beauftragte sodann jedoch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung N. (MDK) mit der Überprüfung der Verweildauer. Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 17. Februar 2008 zu der Auffassung, dass eine stationäre Krankenhausbehandlung nur bis zum 29. Oktober 2006 nachzuvollziehen sei. Danach hätten die fortbestehenden Stimmungsschwankungen, die subjektiv empfundene Überlastung und die verminderte Frustrationstoleranz innerhalb eines tagesklinischen Settings behandelt werden können. Das Vorliegen einer schweren depressiven Episode sei nicht erkennbar, allenfalls habe es sich um eine leichte bis mittelgradige depressive Episode gehandelt.
Die Beklagte verrechnete daraufhin den gezahlten Rechnungsbetrag am 24. September 2010 mit anderen unstreitigen Forderungen und wies kurz darauf nur den unstreitigen Betrag für die Zeit vom 26. September bis 29. Oktober 2006 an.
In Höhe des Differenzbetrages von 28.288,37 EUR hat die Klägerin am 11. Oktober 2011 Klage erhoben und vorgetragen, dass die Versicherte für eine Entlassung am 29. Oktober 2006 noch nicht hinreichend stabil gewesen sei. Sie habe vielmehr eine straffe Tagesstruktur mit engmaschiger Betreuung, ein multimodales Therapieprogramm und die Möglichkeit benötigt, nach Belastungserprobungen jederzeit auf die Station zurückkehren zu können. Durch eine frühere Entlassung wäre auch der Erfolg der Entzugsbehandlung gefährdet worden.
Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Arztes für Psychiatrie, forensische Psychiatrie und Suchtmedizinische Grundversorgung Dr. B. vom 18. Januar 2013 eingeholt. Dieser ist nach Auswertung der Unterlagen zu dem Ergebnis gelangt, dass eine vollstationäre Behandlung der Versicherten nur für die Dauer des erfolgten Cannabisentzuges, nicht aber hinsichtlich ihrer Behandlung auf der Psychotherapiestation nachvollziehbar sei. Hinsichtlich seiner Ausführungen insgesamt wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen.
Gestützt auf dieses Gutachten hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 22. Juli 2013 abgewiesen.
Mit ihrer dagegen am 22. August 2013 eingelegten Berufung trägt die Klägerin vor, die Cannabis-Abhängigkeit sei nicht von der Persönlichkeitsstörung zu trennen. Auch nach Ende der Entzugsbehandlung habe die Versicherte immer wieder Hilfen gebraucht und in Anspruch genommen. Dass sich letztlich bis zum Ende der Behandlung keine wesentliche Änderung im Krankheitsbild ergeben habe, sei nicht vorherzusehen gewesen. Jedenfalls aber habe die Beklagte der Klägerin eine Vergütung für eine teilstationäre Behandlung zu zahlen, die als „Minus“ zu der tatsächlich erfolgten vollstationären Behandlung abrechenbar sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 22. Juli aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 28.288,37 EUR nebst 5 % Zinsen seit dem 24. September 2010 zu zahlen.
Die Beklag...