Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziales Entschädigungsrecht. Impfschaden. Hepatitis-B-Impfung. Gefäßentzündung im Gehirn. ursächlicher Zusammenhang. Wahrscheinlichkeit von Windpocken. Mitursächlichkeit
Orientierungssatz
1. Voraussetzung einer Entschädigung wegen eines Impfschadens ist, dass der Anspruchsteller eine über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehende gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Dabei muss sichergestellt sein, dass die nach dem aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse in Betracht zu ziehenden Impfkomplikationen gerade auch die Impfstoffe betreffen, die im konkreten Fall Verwendung gefunden haben.
2. Bei der Vornahme einer Hepatitis-B-Impfung mit dem Impfstoff Gen H-B-Vax K sind die Empfehlungen der ständigen Impfkommission (STIKO) und damit die Eingangsvoraussetzungen des § 60 Abs 1 S 1 IfSG erfüllt.
3. Im Epidemiologischen Bulletin vom 22.6.2007 hat die STIKO mögliche unerwünschte Wirkungen bei Schutzimpfungen zusammengefasst. Hieraus lässt sich keine klare Aussage hinsichtlich eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen einer Hepatitis-B-Impfung und dem Auftreten einer Gefäßentzündung - Vaskulitis - ableiten.
4. Gefäßentzündungen, speziell im Gehirn, sind dagegen eine gesicherte, wenn auch seltene Folge von Windpocken. Die medizinischen Sachverständigen gehen in der Mehrzahl davon aus, dass auch noch mehrere Monate nach einer Windpockeninfektion die Windpockenviren in der Lage sind, eine Vaskulitis hervorzurufen.
5. Selbst wenn man eine Hepatitis-B-Impfung als eine Ursache für die Vaskulitis betrachten würde, so wäre ein Hirnstamminfarkt als Folge der Vaskulitis nicht als Impfschaden anzuerkennen und zu entschädigen, weil es sich insoweit nicht um eine wesentliche Mitursache handeln würde. Eine frühere Windpockeninfektion mit den danach zurückbleibenden im Körper ruhenden Viren hätte Art und Ausmaß des Körperschadens verursacht, während die Hepatitis-B-Impfung nur eine von verschiedenen Möglichkeiten der Aktivierung der ruhenden Viren darstellen würde.
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 18. Mai 2011 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 26. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2004 abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Es geht um die Anerkennung des Hirninfarktes infolge einer zerebralen Vaskulitis am 10. Juni 1997 als Schaden aufgrund der Hepatis-B-Impfung vom 2. Juni 1997 und die Gewährung von Versorgung nach einem GdS von 50 ab Dezember 2002.
Der am xxxxx 1992 geborene Kläger litt im März 1997 an Windpocken (ärztliche Feststellung vom 11.3.1997). Er wurde am 28. April und am 2. Juni 1997 (später erneut am 6. Mai 1998) mit dem Impfstoff Gen HB Var K gegen Hepatitis-B geimpft. Am 10. Juni 1997 erlitt er einen Hirninfarkt. Als Infarktursache wurde eine Gefäßverstopfung infolge cerebraler Vaskulitis (VZV-Vaskulitis) festgestellt. Nach den aus dem Aufnahmebefund des Krankenhauses ersichtlichen Angaben der Mutter bestanden folgende Beschwerden in der Zeit vor dem Hirninfarkt: seit einigen Wochen dezente Kopfschmerzen, seit drei Tagen starke Kopfschmerzen, Übelkeit, mehrfach erbrochen bis zur Halbseitenlähmung (vgl. vorläufiger Krankenhausbericht des Universitätskrankenhauses E. vom 24. Juni 1997). Als Folgen des Hirninfarkts verblieben eine Halbseitenschwäche rechts und zeitweilig Gesichtsschwäche links, eine Störung der Augenmotilität, eine Störung der Sprache und ein Psychosyndrom.
Mit Schreiben vom 18. Dezember 2002 beantragte der Kläger die Anerkennung des Hirninfarkts als Impfschaden der Hepatistis-B-Impfung und die Gewährung einer entsprechenden Versorgung.
In seinem Gutachten vom 31. Oktober 2003 kam der Arzt für Mikrobiologie, Infektionsepidemiologie, Hygiene und Laboratoriumsmedizin Prof. Dr. M. zu dem Ergebnis, ein Kausalzusammenhang zwischen Impfung und Hirninfarkt sei zu verneinen. Dabei ging er allerdings von einem unzutreffenden Zeitpunkt für das Auftreten des Hirninfarktes aus, wodurch er einen Zeitraum von 4 Jahren zwischen der Impfung und dem Infarkt annahm. Die Ärztin für Mikrobiologie, Infektionsepidemiologie und Virologie Dr. B1 kam in ihrer Stellungnahme vom 22. März 2004 zum gleichen Ergebnis. Ihr lagen ebenfalls nicht alle medizinischen Unterlagen zur Auswertung vor. Die Ablehnung eines Kausalzusammenhanges stützte sie auf fehlende gesicherte Erkenntnisse in der Medizin zu einem Zusammenhang zwischen einer Hepatitis-B-Impfung und dem Auftreten einer Vaskulitis bei medizinisch anerkanntem Zusammenhang zwischen einer Windpockeninfektion und dem Auftreten einer Vaskulitis sowie einer fehlenden medizinischen Dokumentation der Anfangsbefunde, aufgrund derer nicht mehr als ein zeitlicher Zusammenhang angenommen werden könne. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. Mai 2004 den Antrag ab.
Nach Einholung des ...