Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen Erwerbsminderung. Zeitliches Leistungsvermögen. Medizinische Beweiswürdigung. Berufsunfähigkeit. Bürokauffrau. Somatoforme Schmerzstörung
Leitsatz (redaktionell)
Ist das zeitliche Leistungsvermögen des Versicherten nicht aus gesundheitlichen Gründen auf weniger als 6 Stunden beschränkt, scheidet ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI aus.
Normenkette
SGB VI §§ 43, 240
Tenor
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die am …1957 geborene Klägerin übte nach dem Abbruch einer Ausbildung zur Bürokauffrau im Jahr 1975 eine Beschäftigung bei der O. GmbH & Co KG aus, zunächst als Sachbearbeiterin, anschließend bis 1984 als Datentypistin und von 1985 bis 2010 als "Sachbearbeiterin Wareneinsatz". Ausweislich der vom Sozialgericht eingeholten Arbeitgeberauskunft war die Einstellung der Klägerin aufgrund eines Ausbildungsnachweises als Bürokauffrau erfolgt. Entlohnt worden war die Klägerin nach der Gruppe G 3/06 des H. Einzelhandelstarifs. Die Klägerin war von Oktober 2009 bis März 2010 arbeitsunfähig. Anschließend bezog sie zunächst Arbeitslosengeld und ab August 2011 Arbeitslosengeld II.
Die Klägerin nahm während des Jahres 2009 zunächst an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Reha-Klinik D. (Diagnosen: schmerzhafte Bewegungs- und Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule bei Osteochondrose, medikamentös eingestellter Bluthochdruck, Adipositas mit BMI 32, psychovegetatives Erschöpfungssyndrom) nebst Nachsorgeverfahren im Regio Reha-Zentrum P. (zusätzliche Diagnose: Epicondylitis radialis humeri) teil und später - nach einer Operation der Halswirbelsäule - an einer ambulanten Rehabilitationsmaßnahme im Reha-Zentrum B. (Diagnosen: Zervikobrachial-Syndrom, Nucleotomie der Halswirbelsäule, essentielle Hypertonie, Kreuzschmerz und sonstige Enthesiopathien).
Der ärztliche Dienst der Bundesagentur für Arbeit (Sachverständige Frau Dr. H1) kam im März 2010 zu der Einschätzung, die Klägerin sei derzeit arbeitsunfähig. Eine mehr als sechsmonatige Minderung der Leistungsfähigkeit sei wahrscheinlich. Die Erstellung eines Leistungsbildes werde zurückgestellt.
Bei einer Untersuchung der Klägerin im Januar 2011 durch den sozialmedizinischen Dienst der Beklagten stellte die Orthopädin Dr. K2 wiederkehrende Schulter-Arm-Beschwerden rechts mit leichter Funktionsstörung ohne Nervenwurzelreizerscheinungen, wiederkehrende Beschwerden der Lendenwirbelsäule mit leichter Bewegungsstörung ohne Nervenwurzelreizerscheinungen sowie Übergewicht fest. Das Leistungsvermögen sei auf körperlich leichte und leidensangepasste Arbeiten beschränkt, liege dann aber bei täglich sechs Stunden und mehr. Anschließend begann die Klägerin mit einer ambulanten Rehabilitationsmaßnahme im STC ambulanten Therapiezentrum, die sie - ausweislich eines Attests der behandelnden Fachärztin für Allgemeinmedizin Frau Dr. T. - wegen chronischer Schmerzen und einer chronischen Nasennebenhöhlenentzündung abbrach. Der Entlassungsbericht nennt chronische Zervikobrachialgien, ein chronisch degeneratives Lumbalsyndrom, Polyarthralgien/Enthesiopathien und Adipositas. Der frühzeitige Abbruch erlaube keine aussagekräftige Leistungsbeurteilung.
Ihren am 18. März 2011 gestellten Rentenantrag begründete die Klägerin damit, sie halte sich aufgrund einer Versteifung der Wirbelsäule und der Großzehengrundgelenke, Fibromyalgie (diagnostiziert in einem Arztbrief der S. Klinik vom 17. Januar 2011) und chronischer Sinusitis seit November 2009 für erwerbsgemindert. Die Beklagte veranlasste eine Leistungsbeurteilung durch den Chirurgen Dr. R. und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 19. August 2011 ab. Die Klägerin erhob am 7. September 2011 Widerspruch und führte unter Vorlage des bereits anlässlich des Abbruchs der Rehabilitationsmaßnahme eingereichten Attests von Dr. T. sowie eines Entlassungsberichts des U. - Klinik und Poliklinik für Neurologie - aus, sie sei wegen des Verdachts auf eine transitorische ischämische Attacke (TIA) stationär behandelt worden. Eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme habe sie wegen einer chronischen Schmerzerkrankung und einer chronischen Nasennebenhöhlenentzündung abbrechen müssen. Die Beklagte veranlasste eine gutachterliche Stellungnahme des Internisten Dr. F. und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2012 zurück: Die Klägerin leide an
- wiederkehrenden Nacken-, Schulter- und Armbeschwerden rechts mit leichter Funktionsstörung ohne Nervenwurzelreizerscheinungen,
- wiederkehrenden Beschwerden der Lendenwirbelsäule mit leichter Funktionsstörung ohne Nervenwurzelreizerscheinungen und
- einem Carpaltunnelsyndrom und sei imstande, leichte Arbeiten, überwiegend im Sitzen und zeitweise im Stehen und Gehen, ohne besonderen Zeitdruck, ohne besondere nervliche Belastung, ohne häufiges Bücken, häufiges Ersteigen von Treppen, Leitern oder Gerüsten, ohne Überkopfa...