Entscheidungsstichwort (Thema)
Sorgfaltspflichten eines Empfängers eines Bescheides über die Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Korrektur der Höhe einer Rente nach § 45 SGB 10. Mitverschulden des Rentenversicherungsträgers wegen Zugrundelegung eines aus einem Versorgungsausgleich resultierenden Zu- statt Abschlages. Berücksichtigung der langen Zeitdauer des Bezugs einer Rente in fehlerhafter Höhe
Orientierungssatz
1. Zu den Sorgfaltspflichten eines Empfängers eines Bescheides über die Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
2. Zur Berücksichtigung der langen Zeitdauer des Bezugs einer Rente in fehlerhafter Höhe (und damit der Höhe der zu erstattenden Leistungen) im Rahmen des nach § 45 SGB 10 auszuübenden Ermessens bei Mitverschulden des Rentenversicherungsträgers (hier: Zugrundelegung eines aus einem Versorgungsausgleich resultierenden Zu- statt Abschlages bei der Bestimmung der Rentenhöhe).
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat dem Kläger auch seine außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die teilweise Rücknahme einer gewährten Altersrente für die Zeit vom 1. September 2005 bis 28. Februar 2015 sowie die sich daraus ergebende Erstattungsforderung in Höhe von 21.684,85 EUR.
Der am ... August 1941 geborene Kläger wurde durch Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 9. November 1984 von seiner Ehefrau geschieden. In dem Scheidungsurteil wurde ein Versorgungsausgleich festgelegt, wonach von dem Versicherungskonto des Klägers bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (Bundesversicherungsanstalt für Angestellte - BfA) Versorgungsanwartschaften in Höhe von monatlich 123,60 DM, bezogen auf den 31. März 1984, auf das ebenfalls bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten geführte Versorgungskonto seiner Ehefrau übertragen wurden.
Die Beklagte registrierte den durchgeführten Versorgungsausgleich offenbar versehentlich zu Gunsten statt zu Lasten des Klägers. Mit Schreiben vom 30. Januar 1985 informierte sie den Kläger, dass die Übertragung von Rentenanwartschaften als durchgeführt gelte. Die übertragene Rentenanwartschaft sei auf monatlich 123,60 DM festgestellt worden. Der Erhöhungsbetrag für die Jahresrente richte sich nach den Werteinheiten, die sich bezogen auf das Ende der Ehezeit ergeben hätten. Vorliegend seien 388,60 Werteinheiten ermittelt worden. Die Jahresrente sei um den Betrag zu erhöhen, der sich ergebe, wenn die Werteinheiten von 388,60 mit der für den Versicherungsfall geltenden Bemessungsgrundlage von 26.310 DM und dem Wert von 0,00015 vervielfältigt würden. Das seien jährlich 1.533,61 DM. Ein insoweit gleichlautendes Schreiben erhielt die geschiedene Ehefrau des Klägers unter dem 31. Januar 1985.
Der Kläger beantragte am 2. Mai 2005 die Gewährung einer Altersrente. Im Antragsformular gab er an, dass ein Versorgungsausgleich durchgeführt worden sei. Mit Bescheid vom 22. Juni 2005 bewilligte ihm die Beklagte ab dem 1. September 2005 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen mit einem monatlichen Zahlbetrag von zunächst 1.643,89 EUR. In der Anlage 5 zum Bescheid heißt es unter der Überschrift „Auswirkungen des Versorgungsausgleichs“: „Der zugunsten oder zu Lasten des Versicherungskontos durchgeführte Versorgungsausgleich ergibt einen Zuschlag oder Abschlag an Entgeltpunkten. Hierfür werden die für Rentenanwartschaften ermittelten Werteinheiten in Entgeltpunkte umgerechnet.“ Weiter heißt es: „Für die Ehezeit vom 01.07.1974 bis 31.03.1984 sind Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung übertragen worden. Die übertragene Rentenanwartschaft ist festgestellt auf monatlich 123,60 DM. Daraus ergeben sich = 3,8860 Punkte.“ Es folgen sodann Ausführungen zu der Anzahl der Monate, die für die Erfüllung der Wartezeiten aufgrund des Versorgungsausgleichs anzurechnen sind. In der Anlage 6 sind unter der Überschrift „Persönliche Entgeltpunkte“ die Summe der Entgeltpunkte aus den Entgeltpunkten für Beitragszeiten, beitragsfreie Zeiten und beitragsgeminderte Zeiten aufgeführt. Sodann heißt es: „Zuschlag aus einem durchgeführten Versorgungsausgleich für die Ehezeit vom 01.07.1975 bis 31.03.1984 + 3,8860 Punkte“.
Mit Schreiben vom 20. Januar 2015 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die bei ihr gespeicherten Daten über den gesetzlichen Versorgungsausgleich berichtigt worden seien. Die aufgrund des Urteils des Amtsgerichts Hamburg vom 9. November 1984 zu Lasten des Klägers auf den früheren Ehegatten übertragenen Rentenanwartschaften führten zu einem Abschlag an Entgeltpunkten. Sofern dies zu einer Rentenkürzung führe, erhalte der Kläger einen gesonderten Bescheid.
Mit Bescheid vom 27. Januar 2015 setzte die Beklagte die Rente ab 1. März 2015 neu fest und berücksichtigte dabei den durchgeführten Versorgungsausgleich zu Lasten des Klägers, woraus sich ein Abschlag von 3,8860 Entgeltpunkten ergab. In der Anlage 10 zu diesem Bescheid...