Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. fiktive Genehmigung. häusliche Krankenpflege in Einrichtung der Eingliederungshilfe
Leitsatz (amtlich)
Zur fiktiven Genehmigung von häuslicher Krankenpflege in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Rostock vom 16. Juni 2017 wird zurückgewiesen.
Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtanwalt F. K., B-Stadt für das Beschwerdeverfahren bewilligt.
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist die vorläufige Gewährung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form der Medikamentengabe.
Der 1976 geborene Antragsteller leidet unter einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie. Er lebt im Betreuten Wohnen der Beigeladenen zu 2., wobei der zuständige Sozialhilfeträger - Beigeladener zu 1. - Eingliederungshilfe im Umfang von 12 Fachleistungsstunden monatlich gewährt.
Am 3. Januar 2017 verordnete die praktische Ärztin F. für den Antragsteller häusliche Krankenpflege für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2017, zweimal täglich Herrichten und siebenmal wöchentlich Verabreichen von Medikamenten nach Medikamentenplan. Diese Verordnung ging bei der Antragsgegnerin am 9. Januar 2017 ein. Nachdem die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 13. März 2017 Auskunft zum Bezug von Leistungen der Eingliederungshilfe vom Antragsteller angefordert hatte, lehnte sie mit Bescheid vom 28. März 2017 die Gewährung von häuslicher Krankenpflege ab. Zur Begründung verwies sie auf die Zuständigkeit des Trägers der Eingliederungshilfe, da es sich bei der Medikamentengabe um einfachste behandlungspflegerische Maßnahmen handele, die keine medizinische Fachkunde erforderten. Die Kosten für die bisherige Verabreichung durch den Pflegedienst übernehme sie bis zum 13. April 2017. Hiergegen legte die Betreuerin des Antragstellers fristgerecht Widerspruch ein. Parallel beantragte sie eine Leistungsgewährung bei dem Beigeladenen zu 1., was von diesem mit Bescheid vom 4. Mai 2017 abgelehnt wurde. Der Beigeladene zu 1. verwies seinerseits auf eine Zuständigkeit der Pflegekasse.
Am 24. Mai 2017 hat der Antragsteller beim Sozialgericht (SG) F-Stadt den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Zur Begründung hat er insbesondere vorgetragen, nach Einschätzung der behandelnden Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. F. stelle sich die Medikamentengabe nicht als einfache behandlungspflegerische Maßnahme dar, sondern sei die Verabreichung durch medizinisches Fachpersonal erforderlich.
Der Antragsteller hat schriftsätzlich beantragt,
die Antragsgegnerin vorläufig zu verpflichten, die Kosten der Behandlungspflege in Gestalt des Herrichtens und Verabreichens der dem Antragsteller verordneten Medikamente zweimal täglich, siebenmal wöchentlich für die Dauer des Hauptsacheverfahrens, längstens bis zum Ende der aktuellen vertragsärztlichen Verordnung bzw. bis zum Ende weiterer nahtloser Folgeverordnungen im Zusammenhang mit den gleichen Diagnosen zu übernehmen.
Die Antragsgegnerin hat schriftsätzlich beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.
Sie hat eingewandt, die ärztliche Verordnung lasse weder eine Begründung für die Notwendigkeit der Verordnung noch für die Verordnungsdauer erkennen. Die Medikamentengabe gehöre nach dem Charakter der Einrichtung zum Leistungsumfang des Betreuten Wohnens. Fraglich sei auch, ob ein wirksamer Leistungsvertrag zwischen Antragsteller und dem hier beauftragten ambulanten Pflegedienst vorliege.
Der Beigeladene zu 1. hat die Auffassung vertreten, im ambulanten Bereich könne die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für Eingliederungshilfe nicht herangezogen werden. Der Leistungserbringer sei hier nicht zur Vorhaltung medizinischen Fachpersonals verpflichtet. Es handele sich hier bei der Medikamentengabe auch nicht um eine einfachste Maßnahme der Krankenpflege.
Mit Beschluss vom 16. Juni 2017 hat das SG die Antragsgegnerin zur Leistungsgewährung entsprechend der Verordnung für die Dauer des Hauptsacheverfahrens, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2017 oder zur Bestandskraft des Bescheides vom 28. März 2017 verpflichtet. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten Regelungsanordnung seien erfüllt. Der Anordnungsanspruch folge aus einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V. Der Antragsteller habe am 9. Januar 2017 einen hinreichend bestimmten Antrag bei der Antragsgegnerin gestellt. Die beantragte häusliche Krankenpflege in Form der Medikamentenherrichtung/-gabe sei eine grundsätzliche zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehörende Maßnahme. Sie sei unstreitig auch erforderlich. Dieser Antrag sei nicht rechtzeitig beschieden worden, da die maßgebliche Drei-Wochen-Frist am 30. Januar 2017 geendet habe, während die Antragsgegnerin erst am 28. März 2017 ent...