Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Sozialhilfe. Abgrenzung des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege (Medikamentengabe) vom Anspruch auf Eingliederungshilfe
Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege (Medikamentengabe) vom Anspruch auf Eingliederungshilfe im Rahmen einer Einrichtung des betreuten Einzelwohnens.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Rostock vom 9. August 2017 aufgehoben und der Eilantrag abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes über die Gewährung häuslicher Krankenpflege in Form der Medikamentengabe.
Der am …1958 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Antragsteller leidet an einer paranoiden Schizophrenie sowie psychischen und Verhaltensstörungen durch Alkohol bzw. Tabak. Er lebt im ambulant betreuten Wohnen der Beigeladenen zu 2.. In einer aus zwei Häusern bestehenden Wohnanlage, die für 38 Menschen mit Behinderung Wohnungen anbietet, bewohnt der Antragsteller allein eine Wohnung. Personal ist in der Wohnanlage ständig präsent. Gesellschafter der Beigeladenen zu 2. sind das Diakonische Werk … e. V. sowie der E., der Beigeladene zu 1.. Der Beigeladene zu 1. gewährt Eingliederungshilfe im Umfang von derzeit 13 Fachleistungsstunden monatlich.
In der Vergangenheit wurde dem Antragsteller häusliche Krankenpflege von der Antragsgegnerin gewährt. Am 3. Juli 2017 verordnete die praktische Ärztin Dipl. med. D. Medikamentengabe laut Medi-Plan im Umfang zweimal täglich, siebenmal in der Woche. Der Antragsteller reichte die ärztliche Verordnung mit Schreiben seiner Betreuerin vom 12. Juli 2017 bei der Antragsgegnerin ein und bat um Kostenübernahme oder rechtsbehelfsfähigen Bescheid.
Mit Bescheid vom 31. Juli 2017 lehnte die Antragsgegnerin eine Kostenübernahme für die Medikamentengabe mit der Begründung ab, einfachste behandlungspflegerische Maßnahmen gehörten zum Aufgabenkreis der Eingliederungshilfe. Zuvor hatte der Beigeladene zu 1. mit Bescheid vom 11. Mai 2017 die Übernahme von Kosten für die häusliche Krankenpflege als Leistung der Eingliederungshilfe mit der Begründung abgelehnt, die Medikamentengabe könne im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens nicht als Leistung der Eingliederungshilfe erbracht werden. Die hilfeerbringende Einrichtung sei hierzu nicht berechtigt und auch werde eine solche Leistung von der geltenden Leistungsvereinbarung mit dem Kostenträger nicht abgedeckt. Ein Klageverfahren ist beim Sozialgericht (SG) Rostock anhängig (S 17 KR 11/17).
Am 4. August 2017 hat der Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim SG Rostock gestellt. Zur Begründung hat er vorgetragen, auf die Sicherung der Medikamentengabe dringend angewiesen zu sein. Die Beigeladene zu 2. leiste nur die über die Eingliederungshilfe gewährten dreizehn Fachleistungsstunden.
Der Antragsteller hat schriftsätzlich beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller die Kosten für das Richten der Medikamente (Wochenbox) einmal täglich und einmal wöchentlich zu finanzieren, soweit die behandelnden Ärzte des Antragstellers diese Maßnahme verordnen.
Die Antragsgegnerin hat schriftsätzlich beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie hat die Rechtsauffassung vertreten, die Beigeladene zu 2. habe die erforderliche Hilfeleistung durch die vorhandenen pädagogisch oder sozialpädagogisch ausgebildeten Mitarbeiter zu erbringen. Denn sie wolle als Einrichtung psychisch kranken Menschen ein selbstbestimmtes Leben, eine Teilnahme am Leben in der Gesellschaft ermöglichen. Hierzu gehöre gerade die Ermöglichung der selbständigen Einnahme von Medikamenten. Des Weiteren hat sie sich auf eine Entscheidung des erkennenden Senates vom 25. Juli 2017 (L 6 KR 16/17 B ER) bezogen.
Der Beigeladene zu 1. hat die Auffassung vertreten, die Sachlage stelle sich hier auf Grund des Lebens in einer ambulant betreuten Wohnform anders als in der vom LSG entschiedenen Fallkonstellation einer Unterbringung in einer psychosozialen Wohngruppe dar. Zum Anderen sei ein Anspruch auf medizinische Behandlungspflege durch eine Regelung in der Leistungsvereinbarung gemäß § 73 Abs. 3 Nr. 1 und 3 SGB XII ausgeschlossen.
Mit Beschluss vom 9. August 2017 hat das SG die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller ab 4. August 2017 längstens bis zum 30. September 2017 die beantragte Behandlungspflege zu gewähren. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Beigeladene zu 2. sei vorliegend nicht zur Medikamentengabe unter Berücksichtigung der geschlossenen Leistungsvereinbarung nach § 75 SGB XII bzw. dem zivilrechtlichen Vertrag zwischen Antragsteller und der Beigeladenen zu 2. verpflichtet. Die Medikamentengabe sei hier nicht Bestandteil der Eingliederungshilfe, da die Beigeladene zu 2. keine dem Inhalt und Umfang nach mi...