Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunftskosten. Angemessenheitsprüfung. selbst genutztes Eigenheim. Schuldzinsen. keine Privilegierung gegenüber Mieter. einstweiliger Rechtsschutz. Zuschlag für Wohnungseigentümer. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Wegen der Verschiedenheit der Situationen eines Eigentümers einerseits und eines Mieters andererseits liegen unterschiedliche Sachverhalte vor, die entsprechend ihrer Verschiedenheit auch in einer Weise unterschiedlich zu regeln sind, dass es im Ergebnis zu keiner Privilegierung der einen oder anderen Gruppe kommt. Nur so kann dem Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG Rechnung getragen werden.
2. Aufgrund sachlicher Unterschiede, die zwischen Mietern und Eigentümern bestehen, berücksichtigt der Senat in einem sozialgerichtlichen Eilverfahren einen “Aufschlag„ von 30 vH auf die Kosten einer angemessenen Mietwohnung.
Orientierungssatz
1. Fällt ein selbst genutztes Hausgrundstück oder eine entsprechende Eigentumswohnung unter das Schonvermögen gem § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB 2, so folgt daraus nicht ohne weiteres, dass die mit dem geschützten Vermögensgegenstand verbundenen Aufwendungen die angemessenen Kosten der Unterkunft iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 darstellen.
2. Zu den Kosten der Unterkunft iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 zählen zwar die Schuldzinsen, nicht aber die (eventuellen) Tilgungsleistungen.
3. Zur Bestimmung der Angemessenheit der Schuldzinsen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.
4. Die maßgebliche Bezugsgröße für die Bewertung der Angemessenheit des selbst genutzten Hausgrundstücks bzw der Eigentumswohnung bildet die tatsächliche Größe, nicht jedoch die maximal geschützte Wohnfläche von 130 qm (entgegen LSG Berlin-Potsdam vom 19.1.2007 - L 5 B 1101/06 AS ER).
5. Zur Anwendung der Regelung des § 22 Abs 1 S 3 SGB 2 mit den dort ausdrücklich genannten Kostensenkungsmaßnahmen, wie zB Wohnungswechsel oder Vermietung, auch auf selbst genutzte Eigenheime bzw Eigentumswohnungen.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Rostock vom 07. Juni 2006 abgeändert und die Antragsgegnerin verpflichtet, den Antragstellern über die bereits bewilligten Leistungen hinaus unter Anrechnung der bereits geleisteten Kosten für Unterkunft und Heizung vorläufig für den Zeitraum vom 07. März 2007 bis zum 31. August 2007 einen weiteren Betrag von 169,00 € monatlich zu bewilligen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern 2/3 ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist im vorliegenden Eilverfahren im Wesentlichen streitig, in welchem Umfang Schuldzinsen als angemessene Kosten der Unterkunft des von den Antragstellern bewohnten Hauses zu berücksichtigen sind.
Der Antragsteller zu 1. ist erwerbslos, während hingegen seine Ehefrau, die Antragstellern zu 2., erwerbstätig ist und ein monatlich schwankendes Einkommen bezieht. Mit im Haushalt lebt die 1993 geborene gemeinsame Tochter (Antragstellerin zu 3.). Die Familie bewohnt ein eigenes Haus mit einer Wohnfläche von ca. 80 m², für dessen Finanzierung Kredite aufgenommen worden sind. Die Aufwendungen dieser Unterkunft, die offensichtlich von der Antragsgegnerin und hiesigen Beschwerdegegnerin bis zum 28. Februar 2007 im Rahmen der Leistungsgewährung nach den Vorschriften des 2. Sozialgesetzbuches (SGB II) anerkannt wurden, setzen sich zusammen aus:
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631,04 € |
Schuldzinsen für die aufgenommenen Kredite sowie |
80,30 € |
Nebenkosten und |
38,50 € |
Heizkosten (jeweils monatlich). |
Zuletzt bewilligte die Antragsgegnerin (Ag) den Antragstellern (Ast) und hiesigen Beschwerdeführern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von monatlich 710,54 €. Bei der Berechnung erkannte sie Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 749,84 € an, das heißt die Summe der oben genannten Beträge.
Am 22. August 2006 belehrte die Ag den Ast zu 1. darüber, dass die Kosten für Unterkunft und Heizung ihrer Auffassung nach unangemessen hoch seien und längstens bis zum 28. Februar 2007 anerkannt würden. Nach Ablauf der Frist würden nur noch die "angemessenen" Kosten für Unterkunft und Heizung berücksichtigt werden. Der Ast zu 1. bestätigte durch seine Unterschrift die Kenntnisnahme von dieser Belehrung und den Erhalt eines entsprechenden Informationsblattes.
Mit Bescheid vom 13. Februar 2007 bewilligte die Ag den Ast Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von insgesamt 433,39 € monatlich. Bei der Berechnung legte sie Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 496,50 € zugrunde und berücksichtigte darüber hinaus ein Netto-Erwerbseinkommen der Ast zu 2. sowie ein der Ast zu 3. gewährtes Kindergeld als Einkommen.
Hiergegen legten die Ast Widerspruch ein und stellten unter dem 07. März 2007 bei dem Sozialgericht (SG) Rostock den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Nunmehr würden - so haben die Ast vorgetragen - Unterkunftskosten ...