Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Kostenfestsetzung. Beschwerdeverfahren. Anschlussbeschwerde. Staatskasse. Zulässigkeit. Rechtsanwaltsgebühr. fiktive Terminsgebühr. keine Erweiterung auf außergerichtlichen Vergleich
Leitsatz (amtlich)
1. Die besonderen Vorschriften der Kostengesetze über die Zulässigkeit der Beschwerde gelten auch im Sozialgerichtsprozess; sie sind gegenüber § 178 SGG die spezielleren Vorschriften (Abgrenzung von LSG Berlin-Potsdam vom 20.06.2008 - L 1 B 60/08 SF AL = RVGreport 2008, 420).
2. Eine (Anschluss-)Beschwerde der Staatskasse in Kostensachen ist nur zulässig, wenn sie entweder selbst Erinnerung eingelegt hatte oder erstmals durch die richterliche Entscheidung über die Erinnerung beschwert wird.
3. Die fiktive Terminsgebühr nach VV 3106 entsteht nur in den ausdrücklich in den amtlichen Anmerkungen genannten Fällen; eine analoge Erweiterung auf außergerichtliche Vergleiche oder angenommene Teilanerkenntnisse bei Rücknahme im Übrigen ist nicht möglich.
Tenor
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 22. März 2007 wird zurückgewiesen.
Die Anschlussbeschwerde des Beschwerdegegners wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wurde im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss des Sozialgerichts (SG) Neubrandenburg vom 22. August 2006 in dem Rechtsstreit S 9 AS 46/06 dem Kläger Reinhard W. beigeordnet.
Streitgegenstand des Verfahrens war die Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Das im Ausgangsverfahren beklagte Jobcenter Uecker-Randow hatte dem Kläger Grundsicherungsleistungen ab Januar 2005 mit der Begründung verweigert, dass er wegen Vermögens (Eigentum an diversen Grundstücken) nicht bedürftig sei. Der hiergegen erhobene Widerspruch hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2006). Sowohl im Ausgangs- als auch im Widerspruchsbescheid fand sich am Ende ein Hinweis auf die Möglichkeit, bei nicht sofortiger Verwertbarkeit des Vermögens eventuell Leistungen in Form eines Darlehens in Anspruch nehmen zu können.
Das SG Neubrandenburg hat nach Klageerhebung eine Auskunft des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Landkreis Uecker-Randow über den Wert der Grundstücke des Klägers eingeholt und sodann mit Hinweisschreiben vom 06. Juli 2006 an beide Beteiligte angemerkt, dass einerseits die Grundstücke des Klägers verwertbares Vermögen darstellen dürften, andererseits eine Verwertung in angemessener Zeit wohl nicht möglich sei. Insoweit wurde das Jobcenter Uecker-Randow aufgefordert, eine darlehensweise Gewährung von Leistungen anzuerkennen; der Beschwerdeführer wurde aufgefordert, ein solches Anerkenntnis anzunehmen und den Rechtsstreit für erledigt zu erklären. Das Jobcenter Uecker-Randow hat daraufhin einen Anspruch auf darlehensweise Leistungen anerkannt. Der Beschwerdeführer hat im Namen seines Mandanten zunächst um die - sodann erfolgte - Bewilligung von Prozesskostenhilfe gebeten und sodann den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Das Jobcenter Uecker-Randow hat die Übernahme von Kosten mit der Begründung abgelehnt, dass ein Darlehen zu keiner Zeit abgelehnt worden sei. Der Beschwerdeführer hat namens seines Mandanten insoweit darauf hingewiesen, dass sehr wohl Leistungen unter jedem Gesichtspunkt abgelehnt worden seien, andererseits aber ein Kostenantrag nicht gestellt worden sei und auch nicht gestellt werden solle.
Mit Kostennote vom 25. August 2006 machte der Beschwerdeführer seine Gebühren und Auslagen gegenüber der Staatskasse geltend und beantragte, auf der Grundlage des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) den Erstattungsbetrag auf 585,80 Euro (nach Abzug eines Vorschusses in Höhe von 87,00 Euro) festzusetzen. Dieser Betrag ergab sich aus einer geltend gemachten Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 des Vergütungsverzeichnisses (VV) in Höhe von 170,00 Euro (Mittelgebühr), einer Terminsgebühr nach VV 3106 in Höhe von 200,00 Euro (Mittelgebühr), einer Erledigungsgebühr nach VV 1006 in Höhe von 190,00 Euro (Mittelgebühr) und der Post- und Telekommunikationspauschale in Höhe von 20,00 Euro zuzüglich Mehrwertssteuer (insgesamt 672,80 Euro abzüglich bereits gezahlter 87,00 Euro = 585,80 Euro).
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des SG Neubrandenburg setzte die Kosten mit Festsetzungsbeschluss vom 02. März 2007 auf insgesamt 365,40 Euro (bzw. ohne Abzug des bereits geleisteten Vorschusses: 452,40 Euro) fest. Die Abweichung vom Antrag beruhte hierbei auf einer Nichtanerkennung der Erledigungsgebühr. Zur Begründung insoweit wurde ausgeführt, dass eine Erledigungsgebühr nur entstehe, wenn der Rechtsanwalt über die bloße Erfüllung des Verfahrensauftrages hinaus zusätzlich Besonderes gerade mit dem Ziel der Erledigung der Rechtssache ohne streitige Entscheidung geleistet habe. Ursächlich für das abgegebene Anerkenntnis des Beklagten und damit für die Erledigung der Rechtssache ohne streitige En...