Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Klage gegen eine Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB 12. Anfechtungsklage. keine notwendige Beiladung der Schiedsstelle. eingeschränkte gerichtliche Kontrolle. Übertragbarkeit der Rechtsprechung des BSG zur Überprüfung von Entscheidungen der Schiedsstelle nach § 76 SGB 11. Vereinbarung einer leistungsgerechten Vergütung. externer Vergleich. vollständige Sachverhaltsaufklärung. Unzulässigkeit des Ausschlusses von Einrichtungen durch den Sozialhilfeträger wegen laufender oder bevorstehender Vergütungsverhandlungen. Streitwert

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die (isolierte) Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 Alt 1 SGG) ist die richtige Klageart gegen Entscheidungen der Schiedsstelle nach § 80 SGB 12.

2. Der Schiedsspruch der Schiedsstelle nach § 80 SGB 12 erfüllt alle Merkmale eines (vertragsgestaltenden) Verwaltungsaktes.

3. Die Schiedsstelle nach § 80 SGB 12 ist trotz Berührung ihrer Schiedskompetenz nicht gemäß § 75 Abs 2 SGG notwendig beizuladen, da sie als Dritte an dem streitigen Rechtsverhältnis nicht derart beteiligt ist, dass die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann.

4. Entscheidungen der Schiedsstellen nach § 80 SGB 12 unterliegen nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfbarkeit. Die Gerichte können lediglich überprüfen, ob die Ermittlung des Sachverhalts durch die Schiedsstelle in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs erfolgt ist, ob zwingendes Gesetzesrecht beachtet und ob der bestehende Beurteilungsspielraum eingehalten worden ist, wobei die gefundene Abwägung durch die Schiedsstelle Eingang in die Begründung des Schiedsspruchs gefunden haben muss.

5. Die Rechtsprechung des 3. Senats des BSG (vgl Urteil vom 29.1.2009 - B 3 P 7/08 R = BSGE 102, 227 = SozR 4-3300 § 85 Nr 1) zur Überprüfung von Schiedsstellenentscheidungen der Schiedsstelle nach 76 SGB 11 ist auf die Kontrolle von Schiedssprüchen der Schiedsstelle nach § 80 SGB12 mit (nachfolgenden) Einschränkungen übertragbar: Hinsichtlich der örtlichen Begrenzung der Einrichtungen für den neu strukturierten externen Vergleich hält der Senat für die hier betroffenen Einrichtungen und Dienste nach § 75 SGB 12 (hier: Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen) wegen ihrer Vielfalt und Besonderheiten eine differenzierte Verfahrensweise und keine schematische Begrenzung auf eine Stadt oder einen Landkreis für erforderlich. Für die Beurteilung und Festlegung des örtlichen Vergleichsmarktes hat die Schiedsstelle eine besondere Fach- und Beurteilungskompetenz, die nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist. Der externe Vergleich ist zudem mit dem in § 75 Abs 2 S 3 SGB 12 niedergelegten Grundsatz der Sparsamkeit anzureichern.

6. Die Schiedsstelle hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt für die korrekte Durchführung eines externen Vergleichs umfassend und vollständig aufzuklären und sich hierfür insbesondere die notwendigen Informationen über die jeweiligen Vergütungssätze aller für einen Vergleich maßgeblichen Einrichtungen zu verschaffen. Je nach Einrichtungs- und Leistungstyp entscheidet die Schiedsstelle selbst, auf welchen örtlichen Bereich sich die Vergleichseinrichtungen beziehen müssen und ob weitere Einschränkungen nach Lage, Größe, Flächenangebot, Leistungsangebot, Versorgungsauftrag etc vorzunehmen sind.

7. Die Praxis des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe, Einrichtungen aus der Liste herauszunehmen, mit denen aktuell Vergütungsverhandlungen laufen oder nach einer Aufforderung zu neuen Verhandlungen bzw nach Kündigung demnächst stattfinden werden, ist unzulässig. Es ist insoweit ausreichend, diese Einrichtungen in der Liste zu kennzeichnen oder besonders hervorzuheben, um die Schiedsstelle auf deren Besonderheit und möglichen Ausschluss hinzuweisen. Über Ausschluss oder Einbeziehung entscheidet nur die Schiedsstelle mit nachvollziehbaren und sachgerechten Erwägungen.

8. Die Höhe des Streitwerts ergibt sich aus dem bezifferbaren wirtschaftlichen Interesse des Einrichtungsträgers. Eine Reduzierung des Streitwerts hält der Senat bei einer mit der Anfechtungsklage begehrten Aufhebung des Schiedsspruchs für nicht angemessen (so im Ergebnis auch BSG vom 29.1.2009 - B 3 P 7/08 R aaO; aA BSG vom 28.1.2009 - B 6 KA 38/08 B).

 

Orientierungssatz

Die Schiedsstelle muss die Gesamtvergütung im Rahmen des externen Vergleichs unter Beachtung etwaiger Besonderheiten der Einrichtung (Leistungsangebot, Versorgungsvertrag, Tarifgebundenheit, etc) im Rahmen einer Angemessenheitsprüfung unter Beachtung des Sparsamkeitsgebots im Vergleich mit den Einrichtungen im räumlichen Vergleichsgebiet festsetzen und entscheiden, ob die geforderte Vergütung (noch) angemessen ist.

 

Tenor

Der Schiedsspruch der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 16. Juni 2010 (GZ …) wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 197.629,25 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Bete...

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