Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausbehandlung. Durchführung einer Transkatheter-Aortenklappen-Implantation (TAVI) in Klinik ohne herzchirurgische Fachabteilung im Jahr 2010. Verstoß gegen Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot. kein Vergütungsanspruch
Leitsatz (amtlich)
1. Auch im Jahr 2010 entsprach die Durchführung einer Transkatheter-Aortenklappen-Implantation (TAVI) in einer Klinik ohne herzchirurgische Fachabteilung nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse.
2. Wegen Verstoßes gegen das allgemeine Qualitätsgebot begründet ein derartiger Eingriff keinen Vergütungsanspruch des Krankenhauses (vgl BSG vom 16.8.2021 - B 1 KR 18/20 R = BSGE 133, 24 = SozR 4-2500 § 2 Nr 17).
3. Es kommt nicht darauf an, dass im Behandlungszeitpunkt kein Konsens über die Notwendigkeit des Vorhandenseins einer herzchirurgischen Klinik oder Abteilung in dem den Eingriff vornehmenden Krankenhaus bestanden haben mag. Vielmehr bedarf es zur Einhaltung des Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebots des SGB V durch ein diese Voraussetzungen nicht erfüllendes Krankenhaus im Gegenteil der positiven Feststellung eines Konsenses dahingehend, dass eine herzchirurgische Klinik/Fachabteilung entbehrlich ist.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist der auf der Grundlage der DRG F98.Z abgerechnete Vergütungsanspruch der Klägerin in Höhe von 33.973,50 EUR, insbesondere die Rechtsfrage, ob der im Jahr 2010 durchgeführte Eingriff dem Qualitätsgebot entsprach.
Die Klägerin ist ein Plankrankenhaus in Mecklenburg-Vorpommern (MV). Sie war im Krankenhausplan u. a. mit dem Gebiet „Innere Medizin“ ausgewiesen, jedoch nicht mit „Herzchirurgie“. Spezielle Herzzentren mit einer Herzchirurgie befanden sich in K-Stadt bei G-Stadt (Klinikum K-Stadt) und am Universitätsklinikum R-Stadt (Klinik und Poliklinik für Herzchirurgie).
Die 1923 geborene und bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte H. K. (Versicherte) wurde vom 12. Juli 2010 bis 22. Juli 2010 stationär im Krankenhaus der Klägerin behandelt. Aufgrund des Alters, der körperlichen Konstitution, der Komorbiditäten und dem deutlich erhöhten perioperativen Risiko eines konventionellen Aortenklappenersatzes wurde sie zur Durchführung eines perkutanen Aortenklappenersatzes bei einem kombinierten Aortenklappenvitium mit führender Aortenklappenstenose III. Grades und einer Aorteninsuffizienz I. Grades in der Inneren Medizin, Abteilung Kardiologie, aufgenommen und am 14. Juli 2010 Katheter gestützt ein Herzklappenimplantat (TAVI) eingesetzt. Das herzchirurgische Standby während der Operation erfolgte (wie stets bei endovaskulären Aortenklappenimplantationen) aufgrund eines Kooperationsvertrags durch ein vollständiges herzchirurgisches Team des (ca. 75 km entfernten) UKSH Campus L-Stadt Herzchirurgie.
Für die Behandlung rechnete die Klägerin die DRG F98.Z (Endovaskuläre Implantation eines Herzklappenersatzes oder transapikaler Aortenklappenersatz) ab und stellte der Beklagten insgesamt 33.973,50 EUR in Rechnung (Rechnung vom 27. Juli 2010). Die Beklagte wies die Rechnung am 03. August 2010 zurück, da die DRG F98Z mit der Klinik nicht vereinbart sei. Es fehle an den Strukturvoraussetzungen (Vorhandensein einer Herzchirurgie).
Mit der am 24. Mai 2011 beim Sozialgericht (SG) Schwerin erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Unter Verweis auf das Urteil des BSG vom 24. Juli 2003 - B 3 KR 28/02 R - hat die Klägerin vorgetragen, die von einem zugelassenen Krankenhaus im Rahmen seines Versorgungsauftrages erbrachten notwendigen Krankenhausbehandlungen eines Versicherten seien von den Krankenkassen zu vergüten. Gesonderte Vereinbarungen in den Budget- und Pflegesatzverhandlungen könnten dem nicht entgegenstehen. Da die Klägerin über einen Versorgungsauftrag im Bereich der Kardiologie verfüge, könne sie auch die DRG F98Z abrechnen. Die TAVI sei der Kardiologie zuzuordnen. In der Kardiologischen Abteilung der Klinik für Innere Medizin sei 2010 ein breites Spektrum an kardiologischen Erkrankungen, einschließlich interventioneller Verfahren behandelt worden, und es liege eine volle Weiterbildungsermächtigung für das Fach Kardiologie vor. Prof. Dr. St. als Chefarzt der Kardiologie und Dr. P. als Oberarzt verfügten über eine zertifizierte Expertise zur Durchführung der endovaskulären Aortenklappenimplantation. Die vor Ort anwesenden Herzchirurgen hätten bei Auftreten einer Komplikation ohne Zeitverlust und Verlegung der Patienten unter OP-Bedingungen den Brustkorb eröffnen und am Herzen operieren können. Ein solcher Fall sei nie eingetreten. Es bestehe uneingeschränkter Konsens, dass Indikationsstellung und Durchführung in interdisziplinären Teams erfolgen müssten, an dem auch Herzchirurgen beteiligt seien. Eine institutionelle Herzchirurgie müsse nicht vorgehalten werden.
Die mittlerweile in Kraft getretene Richtlinie des GBA zu minimalinvasiven...