Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. Überleitungsrecht. Änderung des materiellen Rechts durch PSG II als wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse iSv § 48 Abs 1 S 1 SGB 10. anhängiges Verfahren nach altem Recht. Prüfpflicht auf höheren Pflegegrad ab 1.1.2017 auch nach neuem Begutachtungsinstrument
Leitsatz (amtlich)
1. Die durch das Zweite Pflegestärkungsgesetz (PSG II) vom 21.12.2015 zum 1.1.2017 bewirkte Änderung des materiellen Rechts kann im Einzelfall eine wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse iSv § 48 Abs 1 S 1 SGB X darstellen.
2. Ein Zustand, der nach altem Recht nicht zu einer höheren Pflegestufe geführt hat, ist bei noch anhängigem Verfahren auch darauf zu prüfen, ob ab dem 1.1.2017 die Voraussetzungen eines höheren Pflegegrades erfüllt sind, als sich aus der alleinigen Anwendung von Überleitungsrecht ergibt.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin werden zu ¼ der Beklagten auferlegt
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um höhere Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung im Zeitraum von Juni 2016 bis zum Tod des Ehemanns der Klägerin am 17. Februar 2017.
Der im Jahr 1933 geborene, bei der Beklagten gesetzlich pflegeversicherte Ehemann der Klägerin (nachfolgend: Versicherter) beantragte am 08. Juni 2016 bei der Beklagten Leistungen wegen Pflegebedürftigkeit in Form von Kombinationsleistungen (aus Pflegesachleistungen und Pflegegeld). Er litt insbesondere unter einer dekompensierten, sauerstoffpflichtigen Herzinsuffizienz mit peripheren Ödemen und Lungenödem, einem Diabetes mellitus sowie allgemeiner Entkräftung und Minderbelastbarkeit. Nach einer Krankenhausbehandlung bis zum 09. Juni 2016 war er mit einem Blasendauerkatheter versorgt und weitgehend bettlägerig. Die Entlassung erfolgte in eine ambulant betreute Wohngruppe, wo der Versicherte gemeinsam mit seiner Ehefrau ein Zimmer bewohnte. Eine kognitive oder seelische Einschränkung hat beim Versicherten nicht vorgelegen.
Die Beklagte holte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung e.V. (MDK) vom 04. Juli 2016 ein, in welchem ein Hilfebedarf in der Grundpflege von 78 Minuten im wöchentlichen Tagesdurchschnitt eingeschätzt wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Gutachtens Bezug genommen.
Die Beklagte gewährte dem Versicherten daraufhin mit Bescheid vom 05. Juli 2016 Leistungen bei häuslicher Pflege nach Pflegestufe I ab dem 09. Juni 2016 (Entlassungstag aus stationärer Behandlung).
Hiergegen erhob der Versicherte am 07. Juli 2016 mit der Begründung Widerspruch, dass sein Hilfebedarf eine höhere Pflegestufe rechtfertige.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06. Dezember 2016 zurück. Nach den Feststellungen des MDK werde der für die Pflegestufe II vorausgesetzte Mindesthilfebedarf von 120 Minuten nicht erreicht.
Hiergegen hat der Versicherte, vertreten durch seinen Sohn A., am 15. Dezember 2016 bei dem Sozialgericht Neubrandenburg Klage erhoben. Nach dem Tod des Versicherten ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass der Sohn als Alleinerbe den Rechtsstreit selbst in eigenem Namen fortführe.
Der Sohn des Versicherten hat beantragt:
Der Bescheid der Beklagten vom 05. Juli 2016 in Gestalt Widerspruchsbescheides vom 06. Dezember 2016 wird aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, ab Antragstellung mindestens die Pflegestufe 2 zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat zur Begründung im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat den Entlassungsbericht des Kreis-Krankenhauses Demmin vom 09. Juni 2016 über die stationäre Behandlung des Versicherten vom 12. Mai bis 9. Juni 2016 sowie die Dokumentation des ambulanten Pflegedienstes M B GmbH für den Zeitraum Juli 2016 bis Februar 2017 beigezogen und sodann Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nach Aktenlage des Pflegesachverständigen H., Eingang bei Gericht am 23. Oktober 2017. Der Sachverständige schätzte den Hilfebedarf des Versicherten in der Grundpflege mit 76 Minuten im wöchentlichen Tagesdurchschnitt ein. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Gutachtens und der vom Sozialgericht beigezogenen Unterlagen Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 7. November 2018 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es komme vorliegend gemäß §§ 140, 141 SGB XI in der ab dem 01. Januar 2017 geltenden Fassung allein auf die Rechtslage bis zum 31. Dezember 2016 an, da den streitgegenständlichen Bescheiden ein Antrag des Versicherten vom 08. Juni 2016 zugrunde liege. Fraglich sei allein, ob der Versicherte Anspruch auf eine höhere Pflegestufe nach altem Recht gehabt habe und ab dem 01. Januar 2017 hierdurch eine Überleitung in einen höheren Pflegegrad nach dem ab diesem Zeitpunkt geltenden neuen Recht hätte erfolgen müssen.
Die Voraussetzungen mindestens der Pflegestufe 2 seien für die streitgegenständli...