Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Vertrauensschutz bei Erstattung zu Unrecht bezogenen vertragsärztlichen Honorars durch die Kassenärztliche Vereinigung
Orientierungssatz
1. Nach § 106 a Abs. 2 S. 1 SGB 5 stellt die Kassenärztliche Vereinigung (KV) die sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnung fest. Diese ist im Hinblick auf den gebotenen Vertrauensschutz der Vertragsärzte zu begrenzen (BSG Urteil vom 28. 8. 2013, B 6 KA 50/12 R).
2. § 45 Abs. 4 S. 2 SGB 10 ist auch bei sachlich-rechnerischer Richtigstellung anwendbar. Danach muss die Aufhebung eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen erfolgen, welche die Rücknahme rechtfertigen.
3. Hat die KV zu einem konkreten Zeitpunkt Kenntnis von allen Umständen gehabt, welche die Rücknahme des Honorarbescheides rechtfertigten, so beschränkt sich der Zeitraum der zu erstattenden rechtswidrig erhaltenen Honorarleistungen bis zu diesem Zeitpunkt.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Schwerin vom 14. Dezember 2016 sowie der Bescheid der Beklagten vom 07. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. Dezember 2014 aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Honorarforderungen des Klägers als ermächtigter Krankenhausarzt für die Quartale II/2002-IV/2009 in Höhe von insgesamt 342.147,77 €.
Der Kläger, zuletzt Chefarzt des Instituts für Nuklearmedizin des Krankenhauses der Beigeladenen, war seit dem 1. Januar 1993 bis zum 13. Juli 2010 durch die Zulassungsgremien zur Teilnahme an der kassenärztlichen/vertragsärztlichen Versorgung für Leistungen im Rahmen seines Fachgebietes ermächtigt. Ab dem 1. Januar 1993 umfasste die persönliche Ermächtigung im einzelnen bestimmte Gebührenpositionen (GOP) auf Überweisung von Vertragsärzten sowie von am Klinikum ermächtigten Ärzten bzw. ärztlich geleiteten Einrichtungen des Klinikums B-Stadt.
Eine vom Kläger begehrte Erweiterung der Ermächtigung, insbesondere für die radioimmunologische Bestimmung der Schilddrüsenparameter für die fachambulanten und ermächtigten Ärzte des Klinikums war vom Zulassungsausschuss zunächst abgelehnt worden. Der vom Kläger angerufene Berufungsausschuss gab dem Widerspruch statt (Beschluss vom 24 November 1993) und erweiterte die Ermächtigung für die Zeit ab 1. Juli 1993um GOP für radioimmunologische Bestimmungen der Schilddrüsendiagnostik auf Überweisung von ermächtigten Ärzten am Krankenhaus der Beigeladenen. Die Ermächtigung wurde in der Folgezeit zunächst im Wesentlichen unverändert fortgeführt.
Auf einen Verlängerungsantrag des Klägers vom 10. Oktober 1997 nahm der Zulassungsausschuss nach Anhörung der Laborkommission, der Kreisstelle, Labore und der nuklearmedizinischen Gemeinschaftspraxis (GP) Dr. S./DM E. dann erstmalig eine Einschränkung der weiteren Ermächtigung ab 1. Januar 1998 (befristet bis 31. Dezember 1998) dahingehend vor, dass die Ermächtigung nunmehr zwar für alle Leistungen des Fachgebietes, aber nur noch „auf Überweisung von niedergelassenen Nuklearmedizinern, niedergelassenen Fachärzten für Laborationsmedizin und Fachwissenschaftler der Medizin“ ausgesprochen wurde (Beschluss vom 10. Dezember 1997). Von einer Ermächtigung auf Überweisung von Leistungen durch Laborärzte wurde abgesehen, nachdem im Rahmen der Anhörung auf einen Fall von gefälschten Aufträgen im Krankenhaus der Beigeladenen hingewiesen worden war.
Mit seinem Widerspruch vom 17. März 1998 hiergegen machte der Kläger u. a. geltend, nach wie vor könnten viele Hormone in guter Qualität nur mit radioaktiven Immunassays (RIA, IRMA) bzw. eine ganze Reihe von Hormonen ausschließlich mit radioaktiven Immunassays bestimmt werden. Der Berufungsausschuss wies den Widerspruch mit Beschluss vom 13. Mai 1998 zurück und führte zur Begründung aus, sollte es im Einzelfall notwendig werden, eine „verfeinerte“ Untersuchungsmethode einzusetzen, um zu einem eindeutigeren Ergebnis zu kommen, so genüge es, wenn die niedergelassenen Fachärzte darüber entscheiden, ob eine solche weitere Untersuchung angezeigt sei.
Durch Beschluss vom 18. November 1998 verlängerte der Zulassungsausschuss die Ermächtigung bis zum 30. September 2000, weitergehend eingeschränkt „auf Überweisung von niedergelassenen Nuklearmedizinern“. Den nachfolgenden Antrag des Klägers, den Überweiserkreis wiederum auf niedergelassene Fachärzte für Laboratoriumsmedizin und Fachwissenschaftler der Medizin zu erweitern, da durch die Facharztpraxen für Labormedizin im Bereich B-Stadt kein RIA-Labor betrieben werde, lehnte der Zulassungsausschuss ab (Beschluss vom 8. September 1999). Qualitätsunterschiede zwischen der RIA-Methode und der NON-RIA-Methode seien nicht ersichtlich, die Leistungen könnten durch ein niedergelassenes Labor...