Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Höhe der Regelleistung. menschenwürdiges Existenzminimum. Einkommensberücksichtigung. Unterhaltszahlung und Mieteinnahmen. Unterkunft und Heizung. Schuldentilgung. Instandhaltungsmaßnahmen. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Umdeutung eines Verwaltungsakts

 

Orientierungssatz

1. Ein Arbeitsuchender hat keinen Anspruch auf Zugrundelegung höherer Regelleistungen. Das BVerfG hat zwar festgestellt, dass die Regelleistungen nach dem SGB 2 nicht zwingend zu niedrig bemessen sind, dass die Ermittlungen des Existenzminimums aber insoweit nicht realitätsnah und ausreichend erfolgt seien (vgl BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua = BVerfGE 125, 175). Nach dieser mit Gesetzeskraft ergangenen Entscheidung sind die bisherigen Vorschriften bis zum Ablauf des Jahres 2010 schlicht hinzunehmen, was auch für die Absenkung der Regelleistungen "Ost" gilt.

2. Unterhaltsverpflichtungen gegenüber einem minderjährigen Kind können nur dann gem § 11 Abs 2 S 1 Nr 7 SGB 2 vom Einkommen abgesetzt werden, wenn diese Unterhaltszahlungen auch tatsächlich geleistet werden.

3. Mieteinnahmen aus einem im gemeinsamen Eigentum mit dem Ehegatten stehenden Hauseigentum dürfen als Einkommen des Hilfebedürftigen vom Bedarf abgesetzt werden.

4. Schuldentilgungen können nicht als Unterkunftskosten gem § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 angerechnet werden, da diese der Vermögensbildung dienen. Es gibt auch keine Rechtsgrundlage für eine abstrakte Instandhaltungspauschale, vielmehr müssen konkrete Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt und auch nachgewiesen werden.

5. Zur Zulässigkeit der Umdeutung (§ 43 Abs 1 SGB 10) eines rechtswidrigen Rücknahmebescheids gem § 45 SGB 10 in einen gebundenen Aufhebungsbescheid nach § 48 Abs 1 S 1 SGB 10.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf höhere Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für den Zeitraum vom 01. Januar 2005 bis zum 31. März 2006; ferner wendet der Kläger sich gegen einen Aufhebungsbescheid vom 18. Januar 2006, mit dem die Leistungen für die Monate Februar und März 2006 weiter reduziert worden sind.

Hinsichtlich der Regelleistung macht der Kläger insoweit Verfassungswidrigkeit des Regelsatzes "Ost" geltend und begehrt die Anerkennung von Unterhaltsansprüchen der Tochter als Bedarf. Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft (KdU) begehrt er die Berücksichtigung von eigenen Mietzahlungen "an die Eigentümergemeinschaft". Schließlich ist er der Auffassung, dass Mieteinahmen "der Eigentümergemeinschaft" nicht als sein Einkommen gewertet werden dürften.

Der 1957 geborene Kläger war seit 1994 verheiratet, wobei auch 1994 eine gemeinsame Tochter geboren wurde. Die Ehe wurde mit Urteil des Amtsgerichts Hanau am 12. August 1999 geschieden. Das Sorgerecht für die Tochter wurde den Eltern gemeinsam übertragen. Der Kläger verpflichtete sich im Rahmen eines Folgevergleiches zu Unterhaltsleistungen für die Tochter in Höhe von 249,00 DM, wobei er nach den unbestrittenen Angaben seiner früheren Ehefrau seit 1998 keinerlei Zahlungen geleistet hat. Während der Ehezeit hatte der Kläger ein Mehrfamilienhaus in B D zunächst allein käuflich erworben, ins Grundbuch wurden sodann er und seine damalige Ehefrau als hälftige Miteigentümer eingetragen. Dieses Haus verfügt über 5 Wohnungen mit einer Gesamtwohnfläche von 329,36 m²; eine Wohnung mit einer Wohnungsgröße von 87 m² bewohnt der Kläger bereits vor der Scheidung bis heute selbst. Hinsichtlich dieses gemeinsamen Immobilieneigentums schlossen der Kläger und seine frühere Ehefrau im Februar 2001 beim Landgericht Hanau einen Vergleich dahingehend, dass sich die Ehefrau zur Übertragung ihres Miteigentumsanteils an den Kläger Zug um Zug gegen Freistellung von sämtlichen auf dem Objekt beruhenden Verbindlichkeiten nicht nur im Innen-, sondern auch im Außenverhältnis verpflichtete. Zu einer Freistellung der Ehefrau auch im Außenverhältnis in dem Sinne, dass sie aus den Darlehensverbindlichkeiten entlassen wurde, ist es bis heute nicht gekommen. Im Innenverhältnis hat die Ehefrau des Klägers allerdings unstreitig jedenfalls seit der Scheidung keinerlei Verbindlichkeiten für das Grundstück mehr gezahlt, allerdings jedenfalls im vorliegenden streitigen Zeitraum auch weder Anteile aus den Mieteinnahmen, noch eine Nutzungsentschädigung für die vom Kläger selbst benutzte Wohnung erhalten.

Am 29. Oktober 2004 beantragte der Kläger beim Beklagten Grundsicherungsleistungen ab Januar 2005 und gab an, keinerlei Einnahmen zu haben. Hinsichtlich der KdU legte er unter anderem einen Darlehensvertrag vom Juni 2003 über eine Darlehenssumme in Höhe von 2.200,00 € mit einer Frau R (wohl der Schwester des Klägers) vor und gab hierzu selbst an, diesen Darlehensvertrag derzeit nicht zu bedienen. Ferner reichte er Darlehensjahres-kontoauszüge der Ostseesparkasse Rostock für das Jahr 2003 ein, aus denen sich Zinsbelastungen für das Jahr 2003 in Höhe von 4.777,80 € bzw. 2.934,20 € ergaben. D...

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