Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Stornierung der Familienversicherung und der freiwilligen Versicherung. Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts. Ermessensreduzierung auf Null. arglistige Täuschung der Krankenkasse zwecks Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung. Beweiskraft von Gewerbean- bzw -abmeldungen
Leitsatz (amtlich)
Zu einem Fall der Ermessensreduzierung auf Null bei arglistiger Täuschung der Krankenkasse zwecks Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung.
Orientierungssatz
Gewerbean- oder -abmeldungen begründen niemals den Beweis dafür, dass ein Gewerbe tatsächlich errichtet oder eingestellt worden ist, sondern lediglich dafür, dass wann und durch wen gegenüber dem Gewerbeamt die beurkundete Erklärung abgegeben worden ist.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Schwerin vom 24. April 2019 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Versicherungsstatus des Klägers in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Der am 25. April 1957 geborene Kläger war selbständig erwerbstätig und bis Juli 2017 privat kranken- und pflegeversichert. Unterstützt durch einen Versicherungsmakler beabsichtigte er in die gesetzliche Krankenversicherung zu wechseln. Mit Antragsformular vom 26. April 2017 beantragte er bei der Beklagten die Aufnahme in die Familienversicherung seiner Ehefrau zum 01. August 2017. Hierbei gab er die Einkünfte aus seiner selbständigen Tätigkeit mit 0,00 EUR an und verneinte auch Einkünfte aus anderen Einkommensarten. Beigefügt war eine Gewerbeabmeldung vom 18. April 2017, wonach das Gewerbe mit dem Gegenstand „Wartung, Instandsetzung und Verkauf von elektronischen Maschinen und Geräten einschließlich Steuerungsanlagen, Elektroinstallation“ zum 31. Juli 2017 aufgegeben werde.
Mit Schreiben vom 09. Mai 2017 übersandte die Beklagte eine „Versicherungsbescheinigung nach § 10 SGB V in Verbindung mit § 25 SGB XI“ vom selben Tag, in der sie bestätigte, dass der Kläger ab dem 01. August 2017 über seine Ehefrau familienversichert sei. Mit Schreiben vom 22. Mai 2017 bestätigte sie dem Kläger erneut, dass er ab dem 01. August 2017 bei ihr über seine Angehörige familienversichert sei.
Am 14. Juli 2017 meldete der Kläger sein Gewerbe zum 05. August 2017 mit identischem Gegenstand als Neugründung wieder an. Auch die Angaben zur Ausübung als Nebenerwerb [verneint] sowie zur Anzahl der in Vollzeit beschäftigten Personen [3] entsprechen denen in der vorherigen Abmeldung. Mit Formularantrag vom 17. Juli 2017 beantragte der Kläger unter Beifügung der Gewerbeanmeldung die freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten. Hierbei gab er an, bis zum 03. August 2017 bei der Beklagten familienversichert und ab dem 04. August 2017 im Umfang von 40 Stunden wöchentlich als Elektromeister selbständig tätig zu sein. Das Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit gab er mit 2.000 EUR an, zu weiteren Einkünften machte er keine Angaben. Im September 2017 reichte er den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2014 und die Einkommensteuererklärung für 2015 nach.
Mit Schreiben vom 23. Oktober 2017 begrüßte die Beklagte den Kläger als freiwilliges Mitglied, bestätigte den Beginn der Mitgliedschaft zum 05. August 2017 und teilte die Höhe der Beiträge mit. Das Schreiben enthielt eine Rechtmittelbelehrung sowie den Hinweis, dass dieser Bescheid auch im Namen der Pflegekasse ergehe. Unter dem 15. Januar 2018 erging zudem ein Bescheid über die Beitragshöhe ab dem 01. Januar 2018.
Mit Schreiben vom 02. März 2018 hörte die Beklagte den Kläger zu ihrer Absicht an, die Familienversicherung im Zeitraum vom 01. August bis 04. August 2017 sowie die nachfolgende freiwillige Versicherung „zu stornieren“. Sie wies darauf hin, dass ein Anspruch auf Familienversicherung nur bestehe, sofern keine hauptberuflich selbstständige Tätigkeit ausgeübt werde. Da die Anmeldung des Betriebes 4 Tage nach der Abmeldung erfolgt sei, sei nicht davon auszugehen, dass es sich hier um eine vollständige Betriebsaufgabe gehandelt habe. Ebenso wenig sei der Betrieb veräußert worden, sodass nach den tatsächlichen Verhältnissen eine vollständige Betriebsaufgabe und die damit einhergehende anderweitige Sicherstellung des Lebensunterhaltes vermutlich von vornherein nicht geplant gewesen seien. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Betrieb bereits vor Beginn der Familienversicherung wieder angemeldet worden sei. Insofern sei von einer durchgehenden selbstständigen Tätigkeit auszugehen. Die vermeintliche Geschäftsaufgabe sei offenbar nur erfolgt, um in die gesetzliche Krankenversicherung zu gelangen. Schutzwürdiges Vertrauen bestehe nicht; es sei davon auszugehen, dass von vornherein geplant gewesen sei, den Betrieb nach nur 4 Tagen wieder anzumelden.
Der Kläger nahm dahingehend Stellung, dass sich aus der unst...