Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer Zuerkennung der Merkzeichen H, B und RF im Schwerbehindertenrecht
Orientierungssatz
1. Der Schwerbehinderte hat nach § 152 Abs. 4 SGB 9 i. V. m. Teil A Nr. 4 VMG Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens H - Hilflosigkeit - , wenn er für die regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung der persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tags fremder Hilfe dauernd bedarf.
2. Ist ihm eine eigenständige Lebensführung möglich und auch im Hinblick auf körperliche Bewegung und geistige Anregung keine Hilfe erforderlich, so besteht kein Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens H. Unbeachtlich ist, ob eine Begleitung bei Reisen und Spaziergängen notwendig ist.
3. Der Schwerbehinderte, bei dem die Voraussetzungen G, Gl oder H vorliegen, hat nach § 152 Abs. 4 SGB 9 i. V. m. Teil D Nr. 2b und c VMG Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens B - Notwendigkeit einer Begleitperson - , wenn er bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen ist.
4. Die Zuerkennung des Merkzeichens RF - Rundfunkgebührenfreiheit - ist bei bestehender mit einem GdB von 80 bewerteter Schwerbehinderteneigenschaft u. a. ausgeschlossen, wenn der Betroffene trotz einer bestehenden Angststörung generell noch in der Lage ist, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten des Rechtsstreits sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) als 70 und die Zuerkennung der Merkzeichen B und RF ab 1. Dezember 2010 sowie des Merkzeichens H ab 18. Februar 2016.
Der 1963 geborene Kläger beantragte bei dem Beklagten erstmalig am 24. Juni 2013 die Feststellung des GdB und die Zuerkennung des Merkzeichens RF für die Zeit ab 1. Dezember 2010 und legte ein ärztliches Attest der Fachärztin für Allgemeinmedizin A. vor, wonach der Kläger aufgrund einer psychischen Behinderung seit Jahren erwerbsunfähig sei und als Analphabet weder Schriftstücke lesen noch Anfragen selbstständig schriftlich beantworten könne.
Nach Beiziehung eines Befundberichtes der vorgenannten Ärztin und dessen versorgungsärztlicher Auswertung stellte der Beklagte mit Bescheid vom 18. September 2013 bei dem Kläger für die Zeit ab 1. Dezember 2010 einen GdB von 70 unter Anerkennung der Behinderung seelische Störung, Intelligenzminderung fest und lehnte die Zuerkennung des Merkzeichens RF ab.
Mit dem hiergegen am 4. Oktober 2013 eingelegten Widerspruch machte der Kläger außerdem die Zuerkennung des Merkzeichens B geltend. Er sei psychisch krank und könne nicht Lesen und Schreiben, was ihn stark beeinträchtige. Wegen der psychischen Erkrankung traue er sich nicht allein aus der Wohnung und sei immer auf eine Begleitung angewiesen. Alltägliche Dinge wie z. B. Einkaufen könne er nur mit einer Begleitperson erledigen. An öffentlichen Veranstaltungen könne er nicht teilnehmen, da er aufgrund seiner psychischen Erkrankung große Angst vor Menschenansammlungen habe und durch den Analphabetismus orientierungslos sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2013 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Ein höherer GdB als 70 lasse sich nach den erhobenen Befunden nicht begründen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen B und RF lägen nicht vor.
Hiergegen hat der Kläger am 17. Dezember 2013 bei dem Sozialgericht Rostock Klage - S 10 SB 340/13 - erhoben und sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat er ausgeführt, er habe lange in Nordrhein-Westfalen gelebt und dort keine Rundfunkgebühren bezahlt. Daher sei die Entscheidung des Beklagten nicht verständlich. Er könne nicht Lesen und Schreiben und sei daher nicht in der Lage, allein öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.
Der Kläger hat in dem Verfahren - S 10 SB 340/13 - beantragt,
den Bescheid vom 18. September 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2013 abzuändern und ihm einen höheren GdB sowie die Merkzeichen RF und B zuzuerkennen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat zunächst Befundberichte von dem Psychiater Dr. B. und der Allgemeinmedizinerin Dr. A. eingeholt und sodann von dem Facharzt für Psychiatrie Dr. C. ein fachpsychiatrisches Gutachten erstatten lassen.
Dieser hat in seinem Gutachten vom 29. Januar 2015 bei dem Kläger die Diagnosen leichte Intelligenzminderung mit Teilleistungsschwäche (Analphabetismus) und Verhaltensstörung, generalisierte Angststörung und undifferenzierte Somatisierungsstörung gestellt.
Die Intelligenzminderung führe nicht zu ausgeprägten Schwierigkeiten im Bereich des Sprachverständnisses und Sprachgebrauches, wohl aber aufgrund der Teilleistungsschwäche zu erheblichen Defiziten in den Bereichen Lesen und Schreiben. Der Kläger sei in der Lage, sprachlich den ...