Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Arbeitskraft für Schweiß- und Eisenlegearbeiten im Baubereich. Auftragsverhältnis. höhere Vergütung. Indizwirkung. Ausgleich für zusätzliche insbesondere sozialversicherungsrechtliche Risiken. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Weisungsgebundenheit. Einzelaufträge. Arbeitszeit. Fachkenntnisse. Unternehmerrisiko. Werbendes Auftreten am Markt. Einsatz von eigenem Werkzeug. Stundenlohn. Tätigkeit für mehrere Auftraggeber. Anmeldung eines Gewerbebetriebs. Wille der Vertragsparteien. Eigenvorsorge. Vorsatz. Hochrechnung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Relevanz im Sinne auch nur einer Indizwirkung für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit kann eine höhere Vergütung als das einer abhängigen Beschäftigung zu erwartende Entgelt nur dann entfalten, wenn sich verlässlich feststellen lässt, dass diese weiterreichende Vergütung mit der klaren Zielrichtung eines Ausgleichs für die zusätzlichen insbesondere sozialversicherungsrechtlichen Risiken eines selbständigen Auftragnehmers in einer bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise dafür ausreichenden Höhe gewährt worden ist.

 

Normenkette

SGB IV § 7 Abs. 1, § 14 Abs. 2 S. 2, § 25 Abs. 1 S. 2; SGB III § 25 Abs. 1; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 1; SGB VI § 1 S. 1 Nr. 1; SGB XI § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 10.04.2018; Aktenzeichen B 12 R 71/17 B)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der nicht erstattungsfähigen Kosten der Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die in der Rechtsform einer GmbH geführte Klägerin betreibt ein Baugeschäft. Sie wendet sich gegen die Heranziehung zur Zahlung von Beiträgen zur Sozialversicherung auf der Grundlage einer nach § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) durchgeführten Betriebsprüfung in Höhe von 76.960,14 € (einschließlich 24.709,50 € Säumniszuschläge), aufgrund einer Heranziehung des zu 1. beigeladenen (am 9. Juni 1953 geborenen) Bauhandwerkers im Prüfzeitraum 1. Oktober 2008 bis 8. März 2013.

Der Beigeladene zu 1. ist gelernter Maurer, zu einer Ausübung dieser Tätigkeit war er im streitbetroffenen Zeitraum gesundheitlich nicht mehr in der Lage. Die Klägerin hatte jedoch Bedarf an einer Arbeitskraft für Schweiß- und Eisenlegearbeiten, da ihre übrigen Mitarbeiter in diesem Bereich keine spezifischen Kenntnisse aufwiesen. Insbesondere zu solchen Tätigkeiten hat sie daher den Beigeladenen zu 1., der diesen körperlich etwas weniger belastenden Tätigkeiten gesundheitlich noch gewachsen war, im streitbetroffenen Zeitraum herangezogen. Dafür hat sie ihm einen Stundenlohn von 25 € gezahlt. Beiträge zur Sozialversicherung hat die Klägerin für diese Tätigkeit ausgehend von der geltend gemachten Einschätzung einer selbständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. als Subunternehmer nicht entrichtet. Für andere Mitarbeiter hat die Klägerin, die 2003 nach eigenen Angaben über ca. 15 Beschäftigte verfügte, hingegen entsprechende Beitragszahlungen erbracht.

Das Unternehmen der Klägerin befasst sich teils mit der Errichtung von Rohbauten, teils mit dem Bau von Kellern und teils auch mit schlüsselfertigen Bauvorhaben. Entsprechende Bauvorhaben werden jeweils nach den Vorgaben detaillierter Ausführungspläne erstellt. Soweit bei einzelnen Arbeitsschritten die Fähigkeiten des Beigeladenen zu 1) zum Schweißen und Eisenlegen erforderlich waren, wurde jeweils ein entsprechender Einsatz des Beigeladenen zu 1) eingeplant. Der Geschäftsführer der Klägerin unterrichtete den Beigeladenen zu 1) über die entsprechende Terminplanung, damit dieser an den vorgesehenen Tagen die jeweilige Baustelle aufsuchte.

Soweit der Beigeladene zu 1. an einzelnen zunächst vorgesehenen Einsatztagen nicht verfügbar war, disponierte der Geschäftsführer der Klägerin entsprechend um und passte die Bauplanung an die zeitlichen Kapazitäten des Beigeladenen zu 1. an.

Für die im Prüfzeitraum 1. Oktober 2008 bis 8. März 2013 erbrachten jeweils wöchentlich abgerechneten Leistungen stellte der Beigeladene zu 1. ausgehend von dem vereinbarten Stundenlohn von 25 € insgesamt rund 140.000 € in Rechnung. Die jeweils für eine Arbeitswoche erstellten Rechnungen wurden jedenfalls im Regelfall von der Klägerin zeitnah beglichen. Die genaue Höhe der monatlichen Entgelte sind der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 21. August 2017 zur Akte gereichten Probeberechnung der Beitragshöhe (erstellt unter der Annahme der Nichtanwendbarkeit des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV) zu entnehmen.

Auf der Grundlage von Ermittlungen des Hauptzollamtes wurde ein Strafverfahren gegen den Geschäftsführer der Klägerin eingeleitet. In der mündlichen Verhandlung vor der Strafrichterin hat dieser erläutert, dass im Zeitraum der Heranziehung des Beigeladenen zu 1. sein Unternehmen viele Aufträge zu erledigen gehabt habe. Es habe daher seinerzeit Sinn gemacht, den Beigeladenen zu 1. zu “beschäftigen„. Insbesondere hätten sie seinerzeit viele Keller in den Nied...

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