Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe für Ausländer. Hilfe bei Krankheit. Vorliegen einer Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG 2004. Fortbestehen trotz Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels. Bedarfsdeckung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG (juris: AufenthG 2004) wirkt auch bei einem geänderten Aufenthaltsstatus (hier: Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 2 AufenthG an Stelle einer nach § 23 Abs 1 AufenthG) weiterhin fort. Jedenfalls seit dem 6.8.2016 schließt § 68 Abs 1 S 4 AufenthG ein Erlöschen der Verpflichtungserklärung durch die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels ausdrücklich aus.
2. Sozialhilfeleistungen dürfen nicht allein unter Hinweis auf das bloße Bestehen einer Verpflichtungserklärung abgelehnt werden, sondern nur, wenn der fragliche Bedarf tatsächlich gedeckt werden kann.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Bremen vom 6. März 2017 aufgehoben.
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern ab 21. Februar 2017 bis 30. September 2017, längstens jedoch bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung in der Hauptsache oder der Bestätigung eines Versicherungsschutzes durch die Krankenkasse, im Bedarfsfall vorläufig Hilfen zur Gesundheit nach dem Fünften Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) zu gewähren.
Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Die Antragsgegnerin hat die Hälfte außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragsgegner wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen den ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung insgesamt abweisenden Beschluss des Sozialgerichts (SG) Bremen 6. März 2017 und begehren noch die vorläufige Bewilligung von Leistungen der Hilfe zur Gesundheit nach dem 5. Kapitel des SGB XII.
Die 1946 und 1938 geborenen Antragsteller sind syrische Staatsangehörige und nach eigenen Angaben ohne eigenes Einkommen und Vermögen. Sie sind im April 2016 nach Deutschland eingereist. Bis September 2016 lebten sie mit ihrem als Arzt erwerbstätigen Sohn in einem Haushalt, mittlerweile bewohnt der Sohn eine eigene Wohnung. Er kommt weiterhin für den notwendigen Lebensunterhalt der Antragsteller auf. In der Zeit vom 11. Mai bis 10. November 2016 bestand für sie eine Reise- Krankenversicherung beim D..
Am 17. Juni 2015 hatte Frau E. gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde eine Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG abgegeben, die zunächst vom Umfang her auf die Kosten für den Lebensunterhalt begrenzt war. Die Begrenzung wurde im Rahmen einer Berichtigung vom 16. Dezember 2015 gestrichen. Im Hinblick auf die Verpflichtungserklärung erhielten die Antragsteller zunächst eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG. Nachdem ihnen durch Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 5. Oktober 2016 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden war, wurde ihnen am 14. November 2016 eine bis zum 13. November 2019 geltende Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 2 AufenthG erteilt. Am 5. April 2017 gab der Sohn beim Migrationsamt Bremen eine unbegrenzte Verpflichtungserklärung ab, worauf die seinerzeit von Frau F. abgegebene Verpflichtungserklärung für ungültig erklärt wurde.
Einen bereits im November 2016 gestellten Antrag auf Leistungen nach dem AsylbLG lehnte die Antragsgegnerin im Hinblick auf die vorliegende Verpflichtungserklärung ebenso ab wie einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII (Bescheid vom 18. November 2016). Auf der Grundlage eines Beschlusses des SG vom 6. Dezember 2016 (S 39 AY 116/16 ER) gewährte die Antragsgegnerin in der Zeit vom 18. November 2016 bis 18. Februar 2017 Leistungen nach dem AsylbLG. Das Hauptsacheverfahren ist noch anhängig (S 38 AY 1/17).
Mit Bescheiden vom 19. Januar 2017 und vom 10. Februar 2017 lehnte die Antragsgegnerin eine Leistungsgewährung nach dem SGB XII erneut unter Hinweis auf die vorliegende Verpflichtungserklärung ab, nachdem sie mit Schreiben vom 21. November 2016 und 1. Dezember 2016 von den Antragstellern unter Hinweis auf deren Mitwirkungspflicht weitere Unterlagen/ Erklärungen angefordert hatte. Über den am 13. Februar 2017 erhobenen Widerspruch ist bislang, soweit ersichtlich, noch nicht entschieden.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens legten die Antragsteller Kontoauszüge für die Zeit vom 28. November 2016 bis zum 9. Februar 2017, Einkommensunterlagen des Sohnes und eine Erklärung des Sohnes vom 8. Februar 2017 vor, wonach dieser in vollem Umfang in mögliche Verpflichtungen aus der von Frau F. abgegebene Verpflichtungserklärung eingetreten sei. Er sei aber nicht in der Lage, dauerhaft für Kosten der Krankenbehandlung der Antragsteller aufzukommen.
Am 21. Februar 2017 haben die Antragsteller beim SG einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt mit dem Ziel, den Antragsgegner zur Gewährung vorläufiger Leistungen nach dem SGB XII zu verpflichten...