Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsvereinbarung. Rechtswidrigkeit einzelner Regelungen eines Ersetzungsbescheides. unzureichende Festlegung der Leistungen für Bewerbungskosten
Leitsatz (amtlich)
Die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs ist nach § 86b Abs 1 S 1 Nr 2 SGG grundsätzlich ganz anzuordnen, wenn sich einzelne Regelungen eines Eingliederungsverwaltungsakts nach § 15 Abs 1 S 6 SGB 2 als rechtswidrig erweisen. Eine Eingliederungsvereinbarung bzw ein sie ersetzender Verwaltungsakt stellt sich als das Instrument einer auf den Einzelfall angepassten Eingliederungsstrategie mit einer Vielzahl aufeinander abgestimmter Maßnahmen dar, so dass die für die Teilbarkeit eines derartigen Verwaltungsakts erforderliche Annahme, dass dieser von der Behörde auch ohne die als rechtswidrig erkannten Regelungen erlassen worden wäre, grundsätzlich nicht gerechtfertigt ist.
Orientierungssatz
Bei verbindlich vereinbarten oder festgelegten schriftlichen Bewerbungen muss die Eingliederungsvereinbarung oder der Ersetzungsbescheid gem § 15 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 2 Bestimmungen darüber enthalten, welche Leistungen der Hilfebedürftige für entstehende Bewerbungskosten erhält. Die Leistungen sind individuell und eindeutig unter Benennung der für die Gewährung maßgeblichen Gründe festzulegen. Diese Anforderungen sind nicht erfüllt, wenn die im Ersetzungsbescheid gewählte Formulierung unter Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit völlig offen lässt, ob und ggf in welcher Höhe die Kosten für schriftliche Bewerbungen erstattet werden.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Bremen vom 5. März 2012 geändert.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 10. Februar 2012 gegen den Eingliederungsverwaltungsakt des Antragsgegners vom 27. Januar 2012 wird ganz angeordnet.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Gründe
Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Bremen vom 5. März 2012 ist begründet.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 10. Februar 2012 gegen den Eingliederungsverwaltungsakts des Antragsgegners vom 27. Januar 2012 (gültig für die Zeit vom 27. Januar bis 26. Juli 2012) ist gemäß § 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG ganz anzuordnen, weil die vom SG zutreffend festgestellten durchgreifenden rechtlichen Bedenken gegen die Zulässigkeit einer Verpflichtung des Leistungsberechtigten zur Wahrnehmung von Beratungsgesprächen und ärztlichen Untersuchungsterminen mit entsprechenden Sanktionsfolgen im Rahmen einer Eingliederungsvereinbarung bzw. eines Eingliederungsverwaltungsakts nach § 15 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) nach vorläufiger rechtlicher Würdigung des Senats nicht nur zur Teilrechtswidrigkeit des Eingliederungsverwaltungsakts führen, sondern dieser unter Berücksichtigung des mit einer Eingliederungsvereinbarung verfolgten gesetzgeberischen Konzepts als insgesamt rechtswidrig angesehen werden muss. Eine Teilaufhebung eines Verwaltungsakts bzw. die teilweise Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist nur möglich, wenn ein Teil des Verwaltungsakts selbständig und unabhängig von dem anderen bestehen bleiben bzw. aufgehoben werden kann, zwischen den Teilen kein unabdingbarer Zusammenhang besteht, ein Teil durch die Aufhebung eines anderen Teils keinen anderen Inhalt erlangt und anzunehmen ist, dass der Verwaltungsakt auch nur mit dem rechtmäßigen Teil erlassen worden wäre (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 131 Rn. 3 b m. w. N.). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze dürfte es sich bei einem Eingliederungsverwaltungsakt nicht um einen teilbaren Verwaltungsakt handeln (a. A. offenbar - allerdings ohne Begründung - Berlit in LPK-SGB II, 4. Aufl. 2011, § 15 Rn. 61, soweit dort von einem teilbaren, teils belastenden, teils begünstigenden Verwaltungsakt gesprochen wird). Einer Eingliederungsvereinbarung, an deren Stelle gemäß § 15 Abs. 1 S. 6 SGB II unter bestimmten Voraussetzungen der Eingliederungsverwaltungsakt tritt, liegt ein auf den Einzelfall zugeschnittenes Eingliederungskonzept zugrunde (vgl. Berlit a. a. O., Rn. 23). Nach den Fachlichen Hinweisen der Bundesagentur für Arbeit zu § 15 SGB II (Fassung vom 20. Mai 2011, Ziffer 15.1) handelt es sich um ein wirkungsorientiertes Instrument zur Erzeugung von Verbindlichkeit im Integrationsprozess mit den erwerbsfähigen leistungsberechtigten Personen. Wegen der unterschiedlich anzutreffenden konkreten Voraussetzungen im Hinblick auf die Integrationschancen am Arbeitsmarkt bedarf die Eingliederungsvereinbarung dabei einer individuellen Ausgestaltung. Eine sorgfältige Standortbestimmung bei der erwerbsfähigen leistungsberech...