Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Ausschluss der Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe. Hauptsacheverfahren. Nichterreichen des Wertes des Beschwerdegegenstandes. Prozesskostenhilfe. Beschwerde. Wert des Beschwerdegegenstands. Dynamische Verweisung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Beschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren gegen einen die Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss ist nicht statthaft und damit als unzulässig zu verwerfen, wenn in der Hauptsache ein Beschwerdewert nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von nicht mehr als 750,00 Euro gegeben ist.

 

Normenkette

SGG § 73a Abs. 1 S. 1, § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 2, § 172 Abs. 1, 3 Nrn. 1-2; ZPO § 127 Abs. 2 S. 2, §§ 511, 572 Abs. 2 S. 2

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 30. November 2011 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfe (PKH) versagenden Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig ist nicht statthaft und damit gemäß § 202 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 572 Abs. 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) als unzulässig zu verwerfen.

Nach § 172 Abs. 1, § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist die Beschwerde vorliegend ausgeschlossen, denn in der Hauptsache überschreitet der Wert des Beschwerdegegenstandes - der Kläger und Beschwerdeführer wendet sich im Klageverfahren gegen die Ablehnung der Übernahme der Kosten einer Einzugsrenovierung durch den Beklagten und Beschwerdegegner - nicht den Betrag von 750 Euro gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG.

Zwar findet gemäß § 172 Abs. 1 SGG gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht (LSG) statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG regelt aber, dass die Vorschriften der ZPO über die PKH entsprechend gelten.

Nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist ein Rechtsmittel gegen die Versagung von PKH ausgeschlossen, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 ZPO genannten Betrag (600 EUR) nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat - was hier nicht der Fall ist - gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH verneint (so im Ergebnis auch: Thüringer LSG, Beschluss vom 30. Juni 2011 - L 9 AS 133/11 B -; Beschluss vom 14. Juli 2008 - L 7 B 19/08 AS -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. Juni 2009 - L 33 R 130/09 B PKH - und vom 29. Februar 2012 - L 14 AS 2248/10 B PKH -; Hessisches LSG, Beschluss vom 6. Juli 2009 - L 9 B 274/08 AS -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. Juli 2008 - L 12 B 18/07 AL - und vom 12. Oktober 2011 - L 15 AS 168/11 B -; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Februar 2009 - L 5 B 305/08 AS -; a. A.: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 06. Januar 2010 - L 2 R 527/09 B -, Beschluss vom 26. November 2009 - L 11 B 2/07 SB - und vom 06. Mai 2008 - L 6 B 48/08 AS -;Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 10. August 2011 - L 5 KR 213/10 B PKH -; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Mai 2010 - L 7 AS 5876/09 B -; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. März 2010 - Az.: L 6 AS 122/10 B -). Dieser durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (Zivilprozessreformgesetz, BGBl. I S. 1887, 1896) mit Wirkung ab dem 01. Januar 2002 eingeführte begrenzte Ausschluss der Beschwerde ist auch von der Verweisung des § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG umfasst. Denn diese Verweisung - eingeführt durch das Gesetz über die PKH vom 13. Juni 1980 (BGBl. I 677) - ist als dynamische Verweisung zu verstehen, die die PKH-Vorschriften der ZPO in ihrer jeweiligen Fassung betrifft (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. Juli 2008 - L 12 B 18/07 AL - und vom 12. Oktober 2011 - L 15 AS 168/11 B -). Der Senat gibt insoweit ausdrücklich seine bisherige Rechtsprechung (vgl. Beschluss vom 09. Juni 2008 - L 9 B 117/08 AS - ) auf und geht nunmehr davon aus, dass eine Beschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren gegen einen die PKH versagenden Beschluss nicht statthaft ist, wenn in der Hauptsache ein Beschwerdewert nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von nicht mehr als 750,00 Euro gegeben ist.

Zwar treten im sozialgerichtlichen Verfahren an die Stelle des in § 511 ZPO genannten Betrags die in § 144 Abs. 1 SGG genannten Zulässigkeitsvoraussetzungen. Den nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG maßgeblichen Beschwerdewert von 750 Euro übersteigt der Wert der Hauptsache hier jedoch nicht. Wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) sind ebenfalls nicht betroffen.

Einer entsprechenden Anwendung des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO steht nicht entgegen, dass mit § 172 Abs. 3 SGG weitere Fallgestaltungen normiert sind, in denen die Beschwerde abweichend von der generellen Regelung des § 172 Abs. 1 SGG ausgeschlossen ist.

Dafür, dass die in § 172 Abs. 3 ...

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