Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Auszubildende. abstrakte Förderungsfähigkeit der Maßnahme gem § 60 SGB 3. Teilhabe am Arbeitsleben. Ausbildungsgeldbezug eines behinderten Menschen. Unterkunftskostenzuschuss

 

Leitsatz (amtlich)

Auszubildende, die eine nach § 60 Abs 1 SGB 3 (in der bis zum 31.3.2012 gültigen Fassung) dem Grunde nach förderfähige Ausbildung absolvieren, haben gem § 7 Abs 5 SGB 2 auch dann keinen über die Leistungen nach § 27 SGB 2 hinausgehenden Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, wenn die Ausbildung von der Bundesagentur für Arbeit im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gem § 97ff SGB 3 aF gefördert und Ausbildungsgeld nach § 104 SGB 3 aF gewährt wird.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Bremen vom 23. April 2012 aufgehoben.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Dem Antragsteller wird auch für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwältin G. in H. bewilligt.

 

Gründe

I.

Der Antragsgegner wendet sich mit seiner Beschwerde gegen einen Beschluss des Sozialgerichts (SG) Bremen vom 23. April 2012, mit dem er im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet worden ist, dem Antragsteller für die Zeit vom 15. Februar bis 31. Juli 2012 vorläufig Arbeitslosengeld II in Höhe von 342,90 € monatlich zu gewähren und unter Anrechnung der für den jeweiligen Bewilligungsmonat bereits gezahlten Beträge für den Zuschuss im Sinne von § 27 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) auszuzahlen.

Der 1986 geborene, alleinstehende Antragsteller absolviert seit dem 10. August 2010 bis voraussichtlich Juli 2013 im I. eine Ausbildung zum Bürokaufmann. Der auf der Grundlage von §§ 10, 11 Berufsbildungsgesetz (BBiG) geschlossene Berufsausbildungsvertrag ist von der Handelskammer H. in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse eingetragen worden (Eintragungsbestätigung vom 16. September 2010). Mit Bescheid vom 28. Juli 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25. Mai 2011 bewilligte die Bundesagentur für Arbeit dem Antragsteller für die Berufsausbildung Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gem. §§ 97 ff. Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung (SGB III) i. V. m. § 33 und §§ 44 ff. Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) in Form von Ausbildungsgeld (572,00 € monatlich), Lehrgangskosten und Reisekosten. Letztere werden aktuell in Höhe von 53,60 € monatlich übernommen (Bescheid vom 13. Februar 2012). Nach mehrmaligem Wechsel der Unterkunft wohnt der Antragsteller seit dem 1. Februar 2012 in einer Ein-Zimmer-Wohnung in H., für die eine Grundmiete in Höhe von 270,00 € nebst Betriebskosten von 110,00 € (inklusive Heizkosten), mithin insgesamt 380,00 € monatlich zu entrichten sind.

Den Antrag auf ergänzende Leistungen nach dem SGB II lehnte der Antragsgegner zunächst mit Bescheid vom 31. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2011 ab. Während des anschließenden Klageverfahrens (Az. S 22 AS 2115/11 des SG Bremen) hat er dem Antragsteller mit zwei Bescheiden vom 22. Februar 2012 einen Zuschuss zu den angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 27 Abs. 3 SGB II für die Zeit vom 1. November 2011 bis 31. Januar 2012 in Höhe von 21,00 € monatlich und für die Zeit vom 1. Februar bis 31. August 2012 in Höhe von 156,00 € monatlich - teilweise vorläufig - bewilligt und die Gewährung von Leistungen nach § 27 Abs. 3 SGB II für den Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Oktober 2011 erneut abgelehnt.

Im Rahmen des Klageverfahrens (und damit nach Klageerhebung am 29. Dezember 2011) ist bei dem SG ein nicht mit einem Eingangsstempel versehener Schriftsatz des Antragstellers (Datum: "14. Juli 2011") eingegangen, mit dem dieser um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht hat. Das SG hat eine Eingangsbestätigung für den 15. Februar 2012 erteilt und dem Eilantrag mit dem angefochtenen Beschluss vom 23. April 2012 stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Antragsteller sei aufgrund einer Folgenabwägung vorläufig Arbeitslosengeld II zu gewähren. Die Frage, ob Bezieher von Arbeitslosengeld nach § 104 SGB III gemäß § 7 Abs. 5 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen seien, sei in der obergerichtlichen Rechtsprechung bislang ungeklärt. Die Kammer neige dazu, mit dem 7. Senat des LSG Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 14. Dezember 2011 - L 7 AS 1235/11 B) keinen Leistungsausschluss für diesen Personenkreis anzunehmen. Die in dieser Entscheidung geäußerten Bedenken, ob Eingliederungsmaßnahmen nach §§ 97 ff. SGB III überhaupt abstrakt förderungsfähige Ausbildungen im Sinne von § 7 Abs. 5 SGB II darstellen könnten, würden im vorliegenden Fall durch den Umstand verstärkt, dass der Antragsteller nach dem eingereichten Berufsausbildungsve...

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