Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Zulassungsausschuss. keine Befugnis zur Anordnung der sofortigen Vollziehung seiner Entscheidung. Auslauffrist für bisherigen Behandler im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes
Orientierungssatz
1. Ein Zulassungsausschuss kann nicht die sofortige Vollziehung seiner Entscheidung (hier: Ermächtigung zur Teilnahme an vertragsärztlicher Versorgung) anordnen (vgl LSG Niedersachsen-Bremen vom 20.9.2005 - L 3 KA 92/05 ER).
2. Dem bisherigen Behandler kann im Wege vorläufigen Rechtsschutzes eine Auslauffrist zur Beendigung bereits begonnener Therapien eingeräumt werden (vgl LSG Niedersachsen-Bremen vom 16.11.2004 - L 3 KA 238/04 ER)
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die sofortige Vollziehung der dem Beigeladenen zu 9) erteilten Ermächtigung.
Die Antragsteller sind zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene fachärztlich tätige Internisten, die in F. (Ldkrs. G.) in Gemeinschaftspraxis niedergelassen sind. Außerdem betreiben sie in H. (Ldkrs. G.) eine Zweigpraxis, die von der zu 1) beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung mit Bescheid vom 2. Februar 2005 genehmigt worden ist. Der Beigeladene zu 9) ist Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie und internistische Onkologie und Leitender Arzt des Fachbereichs Hämatologie und Onkologie im I. in G.
Der Zulassungsausschuss J. für die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit erteilte ihm mit Beschluss vom 24. August 2005 (Bescheid vom 03. November 2005) mit Wirkung ab 01. Oktober 2005 die Ermächtigung (1.) zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge bei hämatologischen/onkologischen Erkrankungen auf Überweisung von Vertragsärzten und (2.) zur Diagnose und Therapie auf sofortige Überweisung durch ermächtigte Ärzte des gleichen Krankenhauses, nur wenn dieses unmittelbar zur Abklärung eines dringlichen Befundes erforderlich ist und die Behandlung am selben Tag erfolgt (die Dringlichkeit muss im Überweisungsauftrag dokumentiert sein). Die Ermächtigung wurde u.a. auf eine Fallzahl von 400 im Quartal begrenzt. Sie wurde bis zum 30. September 2006 befristet. Außerdem ordnete der Zulassungsausschuss die sofortige Vollziehung des Beschlusses an. Zur Begründung führte er an, die beiden niedergelassenen Onkologen - d.h.: die Antragsteller - könnten die komplette Versorgung im Schwerpunkt “Hämatologie und internistische Onkologie" im gesamten Planungsbereich Landkreis Vechta zzgl. eines großen Einzugsbereichs quantitativ nicht sicherstellen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ermächtigung liege analog § 86 a Abs. 2 Nr. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im öffentlichen Interesse, weil die Versorgung der Patienten in diesem Bereich auf Grund der örtlichen Sicherstellungssituation im Planungsbereich Landkreis Vechta nur so ausreichend sichergestellt werden könne.
Hiergegen haben die Antragsteller am 25. November 2005 den Antragsgegner angerufen. Zur Begründung haben sie im Wesentlichen angeführt, entgegen der Auffassung des Zulassungsausschusses sei der bisher onkologisch/hämatologisch nicht ausreichend versorgte Bereich durch die Aufnahme der Zweitpraxis in H. - die nur 8 km vom Tätigkeitsort des Beigeladenen zu 9) entfernt liege - vollumfänglich durch sie abgedeckt. Eine Entscheidung des Antragsgegners liegt bisher nicht vor.
Am 18. Januar 2006 haben die Antragsteller bei dem Sozialgericht (SG) Hannover außerdem beantragt, die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ermächtigung des Beigeladenen zu 9) durch den Zulassungsausschuss J. aufzuheben und die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs wieder herzustellen. Zur Begründung haben sie sich zunächst erneut auf die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses berufen. Der Zulassungsausschuss habe darüber hinaus nicht das Recht, den Sofortvollzug anzuordnen. Eine solche Anordnung komme ohnehin nur dann in Betracht, wenn dies im öffentlichen Interesse liege; dies sei vom Zulassungsausschuss lediglich behauptet, nicht aber dargelegt oder bewiesen worden.
Der Beigeladene zu 9) hat erstinstanzlich beantragt, den Antrag der Antragsteller abzulehnen, hilfsweise die sofortige Vollziehung des Beschlusses des Zulassungsausschusses J. bis zum Abschluss des Verfahrens vor dem Antragsgegner anzuordnen. Entgegen der Auffassung der Antragsteller sei der Zulassungsausschuss berechtigt gewesen, die sofortige Vollziehung seines Beschlusses anzuordnen. Die Anordnung sei auch formell und sachlich richtig ergangen. Insbesondere habe der Zulassungsausschuss die durch die Genehmigung der Zweitpraxis in H. geänderte Versorgungssituation im Landkreis G. bedacht und durch die Fallzahlbegrenzung auf 400 pro Quartal sichergestellt, dass er nunmehr in geringerem Umfang vertragsärztlich tätig und eine Ausweitung der Ermächtigung durch den im Landkreis G. zu verzeichnenden Zuwachs an onkologisch erkrankten Patienten ausgeschlossen sei. Es liege auch ein Vollzugsinteresse vor, das in der Verhinderung einer quantitativen Versorgungslücke mit vertragsärztlichen Leistungen für onkologisch erkrankte Patie...