Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Elterngeld. Rechtsänderung zum 1.1.2011. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
Die volle Anrechnung des Sockel-Elterngeldes auf die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bei fehlendem Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt gem § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 iVm § 10 Abs 5 S 1 BEEG ist mit dem Verfassungsrecht vereinbar.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 21. März 2014 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um die teilweise Aufhebung der Bewilligung und die Erstattung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum Mai bis Juni 2012 sowie um die Gewährung von höheren SGB II- Leistungen für die Zeit Juli bis Oktober 2012.
Mit Bescheid vom 22. März 2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger und den übrigen Mitgliedern seiner Bedarfsgemeinschaft, nämlich seiner Ehefrau und seinen zwei minderjährigen Kindern, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum 1. Mai 2012 - 31. Oktober 2012. Nachdem am 28. März 2012 ein weiteres Kind des Klägers geboren wurde, wurde die Bewilligung mit Änderungsbescheid vom 20. April 2012 durch den Beklagten für den gesamten Leistungszeitraum angepasst, wobei dem Kläger monatliche Leistungen in Höhe von 462,26 € zuerkannt wurden.
Dem Kläger wurde für den jüngsten Sohn (C.) von der Landeshauptstadt D. mit Bescheid vom 2. Mai 2012 Elterngeld in folgender Höhe gewährt: 375,00 € für die ersten beiden Lebensmonate und 300,00 € für den dritten bis zwölften Lebensmonat. Das Elterngeld wurde ohne Berücksichtigung vorgeburtlichen Einkommens bewilligt. Zahltermin des Elterngeldes für die ersten zwei Monate war der 15. Mai 2012 und für die Folgemonate jeweils der erste Tag des Monats.
Mit Änderungsbescheid vom 20. Juni 2012 änderte der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 20. April 2012 ab und gewährte für den Zeitraum 1. Juli 2012 bis 31.Oktober 2012 SGB II-Leistungen unter Anrechnung des um die Versicherungspauschale von 30,00 € bereinigten Elterngeldes. Dem Kläger wurden nunmehr Leistungen in Höhe von 375,06 € pro Monat gewährt. Nach Anhörung des Klägers und seiner Ehefrau hob der Beklagte mit zwei Bescheiden vom 11. Juli 2012, gerichtet an den Kläger bzw. seine Ehefrau, seine Entscheidungen vom 22. März 2012 und 20. April 2012 für die Zeit 1. Mai 2012 bis 30. Juni 2012 teilweise auf und forderte von den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft des Klägers Leistungen in unterschiedlicher Höhe zurück. Der Rückforderungsbetrag gegenüber dem Kläger wurde mit 424,30 € (337,00 € für Mai 2012 und 87,30 € für Juni 2012) beziffert.
Gegen die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide und den Änderungsbescheid legten die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft Widersprüche ein. Den Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 20. Juni 2012 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2012 als unbegründet zurück. Nach § 10 Abs. 5 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) sei beim Bezug von Leistungen nach dem SGB II das gesamte Elterngeld abzüglich der Freibeträge zu berücksichtigen, weil der Kläger vor der Geburt des Sohnes nicht gearbeitet habe. Das sei im Bescheid vom 20. Juni 2012 zutreffend geschehen. Den Widersprüchen des Klägers und seiner Familienmitglieder gegen die zwei Aufhebungs- und Erstattungsbescheide half der Beklagte mit den beiden Widerspruchsbescheiden vom 28. November 2012 teilweise ab, indem er die Erstattungsforderungen zum Teil reduzierte. Die Rückforderung gegen den Kläger wurde von ursprünglich 424,30 € auf nunmehr 324,15 € (236,95 € für Mai 2012 und 87,20 € für Juni 2012) verringert. Im Übrigen wurden die Widersprüche als unbegründet zurückgewiesen.
Am 27. Dezember 2012 erhoben der Kläger und seine Ehefrau gegen die Entscheidungen des Beklagten Klage beim Sozialgericht (SG) Hannover. Die ursprünglich in drei getrennten Verfahren geführten Rechtsstreite (Az. des SG: S 74 AS 4738/12, S 74 AS 4739/12 und S 74 AS 7440/12) wurden mit Beschluss vom 27. Februar 2013 unter dem Az. S 74 AS 4738/12 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Nach richterlichem Hinweis auf die fehlende Klageerhebung für die Kinder erklärte der Prozessbevollmächtigte der Kläger unter dem 21. Februar 2014, dass die Klage auch von den Kindern des Klägers erhoben werde.
Zur Begründung der Klage trugen die Kläger im Wesentlichen vor:
Die Anrechnung von Elterngeld als Einkommen auf den SGB II-Bedarf sei verfassungswidrig. Bezieher von SGB II-Leistungen sowie von Kinderzuschlag und SGB XII-Leistungen seien aufgrund der gesetzlichen Regelung gezwungen, das Elterngeld für ihren Lebensunterhalt zu verwenden. Es trete nicht ergänzend zu den Mitteln, die den Lebensunterhalt sichern, hinzu. Damit seien diese Sozialleistungsbezieher gegenüber den Beziehern von Bundesausbildungsförderung (Bafög), Wohngeld und...