Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Energiekostenrückstände. Unterscheidung zwischen Bedarf und Schulden. Bedarfsdeckung nach § 23 Abs 1 SGB 2
Orientierungssatz
1. Ein unabweisbarer Bedarf iS des § 23 Abs 1 SGB 2 liegt vor, wenn die Abdeckung des fraglichen Bedarfs keinen Aufschub duldet und eine erhebliche Beeinträchtigung der Bedarfe vorliegt, die auch nicht durch Mittelumschichtung innerhalb der Regelleistung beseitigt bzw aufgefangen werden kann. Die darlehensweise Übernahme von Kosten für regelmäßige Bedarfe wie Haushaltsenergie kommt dann in Betracht, wenn es sich hierbei nicht um Schulden handelt.
2. Bei der Prüfung der Frage, ob es sich bei Energiekostenrückständen um Schulden iS des § 34 Abs 1 SGB 12 oder um einen Bedarf iS des § 23 Abs 1 SGB 2 handelt, ist maßgeblich darauf abzustellen, ob die Nachforderung trotz Zahlung der geforderten Abschlagsbeträge durch Mehrverbrauch oder durch eine Erhöhung der Energiekosten im Abrechnungszeitraum entstanden ist. In einem solchen Fall handelt es sich um einen Bedarf des Leistungsberechtigten. Nur wenn die Energiekostenrückstände durch die Nichtzahlung der geforderten Abschlagsbeträge verursacht worden sind, die bereits als Teil der Regelleistungen nach § 20 SGB 2 bedarfsbegründend berücksichtigt wurden, handelt es sich um Schulden.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 24. Mai 2005 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller im Beschwerdeverfahren.
Gründe
I.
Streitig ist die Frage, ob die Antragsgegnerin verpflichtet ist, für die Antragsteller eine Nachforderung für Strom und Gas zu übernehmen.
Die im Jahre 1965 geborene Antragstellerin zu 1. ist mit dem im Jahre 1947 geborenen Antragsteller zu 2. verheiratet. Die Antragsteller leben seit Dezember 2003 dauernd getrennt, wohnen allerdings noch gemeinsam in derselben Wohnung. Dabei gehen die Beteiligten davon aus, dass die Antragsteller in einer reinen Haus- und Wirtschaftsgemeinschaft zusammenleben. Während die Antragstellerin zu 1. bis Ende 2004 von Sozialhilfe lebte, bezog der Antragsteller zu 2. bis zum 2. Februar 2004 Arbeitslosengeld (Alg) und im Anschluss Arbeitslosenhilfe (Alhi).
Mit Bescheid vom 25. November 2004 bewilligte die Bundesagentur für Arbeit F. dem Antragsteller zu 2. ua für die Zeit vom 1. März bis 30. Juni 2005 monatliche Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) in Höhe von insgesamt 425,00 EUR (345,00 EUR Regelleistungen gemäß § 20 Abs 2 SGB II + 80,00 EUR befristeter Zuschlag nach dem Bezug von Alg gemäß § 24 SGB II). Auch die Antragstellerin zu 1. erhält von der Antragsgegnerin Leistungen nach dem SGB II, wobei auch ihr ua Regelleistungen von 345,00 EUR im Monat zugestanden werden.
Mit Rechnung vom 25. Februar 2005 machte die Stadtwerke F. AG gegenüber der Antragstellerin zu 1. eine Nachforderung für im Zeitraum 28. Januar 2004 bis 8. Februar 2005 bezogenen Strom und Gas in Höhe von 421,78 EUR (524,08 EUR Kosten für Strom abzüglich gezahlter Abschläge von insgesamt 275,00 EUR sowie 322,70 EUR Kosten für Gas abzüglich gezahlter Abschläge von insgesamt 150,00 EUR) geltend. Dabei beinhaltet diese Nachforderung bis April 2004 auch Heizkosten.
Den Antrag der Antragstellerin zu 1. vom 19. April 2005 auf Übernahme dieser Nachforderung lehnte die Stadt F. als zuständiger Sozialhilfeträger mit Bescheid vom 22. April 2005 ab: Da die Antragstellerin zu 1. Leistungen nach dem SGB II beziehe, sei die Übernahme der Nachforderung vom zuständigen SGB II-Träger möglich. Eine Kostenübernahme durch den Sozialhilfeträger gemäß § 34 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) scheitere an § 21 SGB XII.
Auch die Antragsgegnerin lehnte den Antrag des Antragstellers zu 2. vom 20. April 2005 auf Übernahme der Nachzahlungsforderung der Stadtwerke mit Bescheid vom 21. April 2005 ab. Die Forderung der Stadtwerke setze sich ausschließlich aus Kosten für Strom und Gas zusammen. Diese Kosten würden bereits durch den Regelsatz gedeckt. Im Übrigen sei eine Übernahme von Schulden bei den Stadtwerken nach den Bestimmungen des SGB II nicht vorgesehen. Hiergegen haben die Antragsteller am 26. April 2005 Widerspruch erhoben, über welchen noch nicht entschieden worden ist.
Am 6. Mai 2005 haben die Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Hannover einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Sie sind der Ansicht, dass die Antragsgegnerin zur Übernahme der Nachforderung für Gas und Strom verpflichtet ist. Der Streit über die Zuständigkeit in dieser Frage könne nicht zu ihren Lasten gehen. Da die Stadtwerke Ratenzahlung nicht akzeptierten und beabsichtigten, ihnen in Kürze Strom und Gas abzustellen, sei Eilbedürftigkeit gegeben.
Das SG Hannover hat die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 24. Mai 2005 verpflichtet, den Antragstellern darlehensweise und unter dem Vorbehalt der Rückforderung einen Betrag in Höhe von 421,7...