Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Statthaftigkeit der Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe. Hauptsacheverfahren. Nichterreichen des Wertes des Beschwerdegegenstandes. keine Anwendbarkeit von § 127 Abs 2 S 2 ZPO. Rechtsänderung. Erlass des PKH-Beschlusses vor Inkrafttreten des BUK-NOG. Rechtsmittelbelehrung. intertemporaler Rechtssatz
Leitsatz (amtlich)
1. § 127 Abs 2 S 2 ZPO findet im sozialgerichtlichen Verfahren keine Anwendung (§ 73a Abs 1 S 1 SGG in der seit 25.10.2013 geltenden Fassung; für die Zeit vor Inkrafttreten des BUK-NOG: ständige Rechtsprechung des Senats, etwa: Beschlüsse vom 26.11.2009 und 22.12.2009 - L 11 B 2/07 SB sowie L 11 AL 70/09 B).
2. Der Beschwerdeausschluss in § 172 Abs 3 Nr 2 Buchst b SGG (in der seit 25.10.2013 geltenden Fassung) findet aus Gründen des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit und der Rechtsmittelklarheit keine Anwendung in PKH-Beschwerdeverfahren, in denen der erstinstanzliche PKH-Beschluss vor Inkrafttreten des BUK-NOG erlassen sowie zugestellt worden ist und dessen Rechtsmittelbelehrung nach damaliger Rechtslage zutreffend dahingehend lautet, dass die Beschwerde statthaft ist. Dies gilt auch, wenn die Beschwerde erst nach Inkrafttreten des BUK-NOG eingelegt worden ist.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 10. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.
Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ihr vor dem Sozialgericht (SG) Braunschweig geführtes Klageverfahren S 25 AS 2138/12. Die Klage richtet sich gegen die teilweise Aufhebung der Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für den Monat Dezember 2011 sowie gegen die hieraus resultierende Erstattungsforderung i.H.v. 278,35 Euro (Bescheid vom 7. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2012).
Das SG hat die Versagung von PKH für die am 9. August 2012 erhobene Klage damit begründet, dass der Rechtsverfolgung der Klägerin die hinreichende Erfolgsaussicht fehle. Der Beklagte habe den Widerspruch rechtsfehlerfrei als unzulässig verworfen. Der Bescheid vom 7. Februar 2012 gelte als am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, die Klägerin habe jedoch erst am 23. April 2012 - und damit nach Ablauf der einmonatigen Widerspruchsfrist - Widerspruch eingelegt. Entgegen der Auffassung der Klägerin habe nicht die einjährige Widerspruchsfrist wegen falscher Rechtsbehelfsbelehrung gegolten. Die Rechtsbehelfsbelehrung habe den gesetzlichen Bestimmungen entsprochen. Dies gelte auch für die Bezeichnung der Widerspruchsstelle (Widerspruchseinlegung “bei Ihrem Jobcenter„). Hieraus sei hinreichend deutlich geworden, dass der Widerspruch bei der Behörde einzulegen sei, die den Bescheid erlassen habe. Die korrekte postalische Anschrift sei sowohl im Briefkopf des Bescheides als auch in der Fußzeile der ersten Seite des Bescheides genannt worden. Damit sei auch für einen juristischen Laien ersichtlich gewesen, dass der Widerspruch beim Jobcenter F. unter der im Bescheid angegebenen Adresse einzulegen sei. Anhaltspunkte für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien weder ersichtlich noch von der Antragstellerin vorgetragen worden (Beschluss vom 10. Oktober 2013).
Gegen den der Klägerin am 14. Oktober 2013 zugestellten Beschluss richtet sich ihre am 4. November 2013 eingelegte Beschwerde. Die Klägerin hält die Rechtsbehelfsbelehrung des angefochtenen Bescheides für unvollständig, da die Widerspruchsstelle nicht mit ihrem Sitz (d.h. mit Ortsangabe und konkreter Adresse) bezeichnet worden sei. Mit dem Begriff “Ihr Jobcenter„ könnten aus der Sicht eines juristisch nicht vorgebildeten Bürgers auch andere Jobcenter gemeint sein, z.B. ein von der Entfernung möglicherweise näher liegendes Jobcenter des Nachbarortes, “welches in einem anderen Landkreis liegen mag„. Auch bei einem zwischenzeitlichen Umzug eines Leistungsempfängers könnten Unklarheiten entstehen, welches Jobcenter zuständig sei. Diese Unvollständigkeit führe zur Fehlerhaftigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung, so dass die Jahresfrist nach §§ 84 Abs 2 Satz 3, 66 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gelte und der Widerspruch noch fristgerecht erfolgt sei. In der Sache habe die Rechtsverfolgung hinreichende Erfolgsaussicht, da es dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid an der erforderlichen Bestimmtheit fehle.
Der Beklagte hält die am 4. November 2013 eingelegte Beschwerde bereits für unzulässig (§ 172 Abs 2 Nr 3 Buchst. b SGG in der seit 25. Oktober 2013 geltenden Fassung), hilfsweise für unbegründet.
II.
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig.
Zwar liegt der Wert des Beschwerdegegenstandes mit 278,35 Euro weit unterhalb des für die Statthaftigkeit einer Berufung maßgeblichen Werts von 750,01 Euro (vgl. hierzu: § 144 Abs 1 Nr 1 SGG). Dies führt jedoch nicht zur U...