Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Regelung hinsichtlich des Zuschlages an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1.1.1992 geborenes Kind nach § 307d Abs 1 SGB 6
Leitsatz (amtlich)
Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Stichtagsregelung in § 307d Abs 1 SGB VI, der zufolge ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung nur bei Anerkennung einer Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt zu gewähren ist.
Orientierungssatz
Zum Leitsatz vgl LSG München vom 31.5.2016 - L 6 R 685/15.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die am 15. März 1935 geborene und seit dem 1. April 2000 im Bezug einer Regelaltersrente stehende Klägerin begehrt einen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für die Erziehung ihres am 3. Februar 1970 geborenen Kindes F. G..
Am 15. Juli 1971 nahm die Klägerin mit ihrem Ehemann das Kind in Adoptionspflege. Mit notariellem Vertrag vom 2. Oktober 1972 nahmen sie es an Kindes statt an. Mit Beschluss vom 4. Februar 1974 hat das Amtsgericht H. den Kindesannahmevertrag gerichtlich bestätigt.
Im November 2014 beantragte die Klägerin im Hinblick auf die mit Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) vom 23. Juni 2014 (BGBl. I, 787) neu eingeführte Regelung des § 307d SGB VI die Gewährung eines Zuschlages an persönlichen Entgeltpunkten für die Erziehung ihres Kindes im Zeitraum ab Juli 1971. Mit Bescheid vom 30. Januar 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. März 2015 lehnte die Beklagte diesen Antrag mit der Begründung ab, dass die Klägerin nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen für den begehrten Zuschlag erfülle. Zu ihren Gunsten sei keine Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt anerkannt worden. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung seien hingegen ohnehin für den in Betracht kommenden Zeitraum ab der Zustimmung der leiblichen Eltern zur Kindesannahme am 3. August 1971 bis zur Vollendung des zehnten Lebensjahres des Kindes anerkannt worden.
Mit der am 1. April 2015 erhobenen Klage macht die Klägerin verfassungsrechtliche Bedenken geltend. Der Gesetzgeber habe den vom BVerfG Beschluss vom 29. März 1996 - 1 BvR 1238/95 - FamRZ 1996, 789) formulierten Anforderungen nur unzureichend Rechnung getragen. Von der Frage einer Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten im 13. bis 24. Lebensmonat eines Kindes sei sicherlich nur ein überschaubarer Personenkreis betroffen.
Mit Urteil vom 1. März 2017, der Klägerin zugestellt am 7. März 2017, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die vom Gesetzgeber in Wahrnehmung seines Gestaltungsspielraums normierten tatbestandlichen Voraussetzungen des § 307d SGB VI würden von Seiten der Klägerin nicht erfüllt; verfassungsrechtliche Bedenken seien nicht festzustellen.
Mit ihrer am 27. März 2017 eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren unter Bezugnahme insbesondere auf ihr erstinstanzliches Vorbringen weiter. Die gesetzliche Regelung verstoße gegen das Gleichbehandlungsgebot gemäß Art. 3 GG.
Sie beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 1. März 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 30. Januar 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. März 2015 aufzuheben und
2. die Beklagte zur Neuberechnung der ihr gewährten Altersrente ab Juli 2014 unter Berücksichtigung eines Zuschlages an persönlichen Entgeltpunkten für die Erziehung ihres Sohnes H. G.. im Zeitraum 3. August 1971 bis zum 28. Februar 1972 zu verpflichten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
II.
Die vorliegende zulässige Berufung weist der Senat nach vorheriger Anhörung der Beteiligten durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich erachtet.
Die angefochtenen Bescheide haben zutreffend eine Neuberechnung der von der Klägerin seit 2000 bezogenen Altersrente im Hinblick auf die zum 1. Juli 2014 in Kraft getretene neue Regelung des § 307d Abs. 1 SGB VI abgelehnt. Nach dieser Vorschrift wird in Fällen, in denen am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente bestand, ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn (Nr. 1) in der Rente eine Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und (Nr. 2) kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Die Klägerin bezog zwar bei Inkrafttreten dieser Vorschrift eine Altersrente, sie hat auch keinen Anspruch nach §§ 294 und 294a SGB VI. Ihr Sohn F. G. ist vor...