Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Kein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung bei Diabetes Mellitus

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach dem aktuellen medizinisch-ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisstand - der in dem Rationalisierungsschema 2004 des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner ua, den Ernährungsempfehlungen für Diabetiker der Diabetes-Gesellschaft Deutschland und der Stellungnahme des Ausschusses Ernährung der Deutschen Diabetologischen Gesellschaft zum Ausdruck kommt - lässt sich nicht feststellen, dass bei einer Diabetes Mellitus Erkrankung eine besondere Diät oder Ernährung erforderlich ist, die einen erhöhten finanziellen Aufwand iS des § 21 Abs 5 SGB 2 erfordert.

2. Die empfohlene ausgewogene Mischkost entspricht der Vollkost, die zur Gesunderhaltung allen Bevölkerungskreisen angeraten und die vom Regelsatz gedeckt wird.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Osnabrück vom 22. Januar 2007 aufgehoben.

Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitig ist, ob der Antragsteller Anspruch auf Leistungen für einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung aufgrund einer Diabetes Mellitus - Erkrankung sowie einer Hyperlipidämie und einer Hyperurikämie nach § 21 Abs 5 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II - für den Zeitraum vom 1. Februar bis 30. Juni 2007 hat.

Der im Dezember 1944 geborene Kläger bezieht seit Januar 2005 Leistungen der Sozialhilfe bzw zur Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB XII bzw SGB II - (zuletzt vom 1. Juli bis 31. Dezember 2006, Bescheid vom 14. Juni 2006 und vom 1. Januar bis 30. Juni 2007, Bescheid vom 18. Dezember 2006).

Im April 2006 beantragte der Antragsteller Leistungen für einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung und legte eine Bescheinigung des Internisten Dr B. vom April 2006 vor, der wegen einer Hyperlipidämie bei Adipositas, einer Hyperurikämie sowie eines Diabetes Mellitus Typ II a entsprechende Krankenkost - eine lipidsenkende Reduktionskost, eine purinreduzierte Kost sowie eine Diabeteskost - für erforderlich hielt. Die Antragsgegnerin holte eine Stellungnahme der Ärztin im Gesundheitsdienst Dr C. vom 24. Mai 2006 ein, die einen gesundheitsbedingten Ernährungsmehrbedarf verneinte. Der Antragsteller benötige wegen seines Übergewichts (180 cm bei 118 kg) eine langfristig angelegte fettreduzierte und kohlenhydratbilanzierte Diät mit einer Nahrungszufuhr von 1200 bis 1400 Kilokalorien; bei einer solchen Kost würden die geringfügigen Mehrkosten für einzelne Nahrungsmittel durch die insgesamt deutlich reduzierte Nahrungszufuhr ausgeglichen. Wegen der Hyperurikämie habe der Antragsteller den Konsum von tierischen Nahrungsmitteln zu reduzieren. Die für Diabetes wissenschaftlich empfohlene Diät entspreche der allgemein für gesunde Ernährung empfohlenen ausgewogenen Mischkost, die in den Regelsätzen berücksichtigt worden sei. Daraufhin lehnte die Antragsgegnerin die Gewährung von Leistungen für einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung ab (Bescheid vom 9. Juni 2006).

Mit Schriftsatz vom 26. August 2006 wiederholte der Antragsteller seinen Antrag unter Vorlage einer Bescheinigung des Dr B. vom 17. Juli 2006 und begehrte außerdem einen Zuschuss für die Anschaffung von Haushaltsgeräten, die er zur Zubereitung der kostenaufwändigen Ernährung benötige. Diesen Schriftsatz wertete die Antragsgegnerin als Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 9. Juni 2006 nach § 44 SGB X und lehnte diesen mit Bescheid vom 7. September 2006/Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 2006 ab. Die Zahlung eines Zuschusses für Hausratsgegenstände lehnte die Antragsgegnerin ebenfalls ab (Bescheid vom 7. September 2006, Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 2006). Hiergegen hat der Antragsteller jeweils Klage erhoben (S 22 AS 730/06 und S 22 AS 731/06).

Die Gewährung von Leistungen für Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung ist außerdem im einstweiligen Rechtschutzverfahren Gegenstand der Verfahren S 22 AS 893/06 ER bzw L 6 AS 25/07 ER (Leistungen bis Dezember 2006) und S 22 AS 927/06 ER bzw L 6 AS 17/07 ER (Leistungen für Januar 2007).

Am 15. Januar 2007 stellte der Antragsteller beim SG Osnabrück einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtschutzes für die Mehrbedarfs-Leistungen ab Februar 2007. Mit Beschluss vom 22. Januar 2007 verpflichtete das SG die Antragsgegnerin, dem Antragsteller vom 1. Februar bis 30. Juni 2007 Leistungen für Mehrbedarf bei kostenaufwändiger Ernährung iHv 51,13 € monatlich zu gewähren. In den Gründen wurde auf den Beschluss der Kammer vom 5. Dezember 2006 in S 22 As 893/06 ER und den Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 27. Oktober 2006 in L 8 SO 164/06 ER Bezug genommen.

Mit der im Januar 2007 eingelegten Beschwerde hat die Antragsgegnerin darauf hingewiesen, dass der Beschluss des 8. Senats des LSG zu einem Diabetes Mellitus Typ II a ergangen sei, der beim Antragsteller aber nicht bestehe. Für einen Diabetes Mellitus Typ II b sei auch nach den Empfehlungen des D...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge