Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistung. Grundleistung. kein pauschaler Mehrbedarf für Alleinerziehende. konkret-individuelle Bedarfsdeckung. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Bei den Leistungen nach §§ 3 ff AsylbLG, insbesondere nach § 6 Abs 1 S 1 AsylbLG, sind pauschale Mehrbedarfe für Alleinerziehende nicht vorgesehen. Insoweit ist der konkrete, ggf durch Geld-, Sach- oder Dienstleistungen zu deckende Bedarf maßgeblich.
2. Die Entscheidung des Gesetzgebers, wegen des Bedarfs bei Alleinerziehung einerseits im SGB 2 und dem SGB 12 pauschale Geldleistungen zu erbringen und andererseits im AsylbLG eine konkret individuelle Bedarfsdeckung vorzusehen, verstößt nicht gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG und auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art 3 Abs 1 GG.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bremen vom 22. Mai 2014 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat ein Drittel der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu erstatten. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens wird abgelehnt.
Gründe
Die Beteiligten streiten im Rahmen des gerichtlichen Eilrechtsschutzes um die Gewährung eines pauschalen Mehrbedarfs für Alleinerziehende nach § 6 Abs. 1 AsylbLG bzw. § 30 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII (analog).
Die 1989 geborene Antragstellerin ist türkische Staatsangehörige und unbekannten Datums nach Deutschland eingereist. Ab Juni 2013 wohnte sie bei ihrem Cousin in E., zunächst ohne einwohnermelde- und ausländerrechtlich erfasst zu sein. Drei Tage vor der Geburt ihres Kindes, dem Antragsteller, beantragte sie am 9. Januar 2014 bei der Antragsgegnerin Leistungen nach dem AsylbLG, die ihr und ihrem Sohn zunächst durch Bescheid vom 14. Februar 2014 für die Zeit ab 9. Januar 2014 in monatlicher Höhe von 505,00 € und sodann durch Bescheid vom 3. März 2014 ebenfalls für die Zeit ab 9. Januar 2014 in gleicher Höhe bewilligt wurden. Den Widerspruch der Antragsteller gegen den Bescheid vom 9. Januar 2014, der sich im Wesentlichen auf die Bewilligung höherer Leistungen für die Antragstellerin unter Berücksichtigung der Regelbedarfsstufe 1 sowie eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende bezog, wies die Antragsgegnerin durch Widerspruchsbescheid vom 4. April 2014 als unbegründet zurück. Diese Entscheidung ist Gegenstand der am 7. Mai 2014 beim Sozialgericht (SG) Bremen erhobenen Klage (- S 33 AY 57/14 -).
Die Antragsteller haben beim SG mit der Klageerhebung zugleich um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Das SG hat den Eilantrag durch Beschluss vom 22. Mai 2014 mit der Begründung abgelehnt, dass der Antragstellerin nur Grundleistungen gemäß § 3 AsylbLG nach der Übergangsregelung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 18. Juli 2012 (-1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 -) entsprechend der Regelbedarfsstufe 3 zustünden, weil sie keinen eigenen Haushalt führe. Zudem sei ein pauschaler Mehrbedarf für Alleinerziehende nach § 6 AsylbLG gesetzlich nicht vorgesehen.
Gegen diese, den Antragstellern am 28. Mai 2014 zugestellte Entscheidung richtet sich deren Beschwerde vom 30. Juni 2014 (einem Montag). Nachdem die Antragsteller in eine eigene Wohnung in E. gezogen waren, hat die Antragsgegnerin den geltend gemachten Anspruch auf Grundleistungen entsprechend der Regelbedarfsstufe 1 mit Schriftsatz vom 1. August 2014 anerkannt und die den Antragstellern zustehenden Leistungen durch Bescheid vom 15. August 2014 für den Zeitraum von Januar bis August 2014 auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung der ab Juni 2014 angefallenen Kosten der Unterkunft und Heizung neu berechnet. Mit der Beschwerde wird seither - soweit aus dem Vorbringen der Antragsteller ersichtlich - allein ein pauschaler Mehrbedarf für Alleinerziehende nach § 6 AsylbLG i.V.m. § 30 Abs. 3 SGB XII geltend gemacht. Die Antragsteller machen geltend, dass diese Leistung für Alleinerziehende Bestandteil des menschenwürdigen Existenzminimums nach Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG sei und nach deren Sinn und Zweck nur durch die Gewährung eines pauschalen Mehrbedarfs, nicht dagegen durch konkrete (Sach-) Leistungen erbracht werden könne. Dies gelte insbesondere für Leistungsberechtigte, die - wie die Antragstellerin - außerhalb einer Einrichtung in eigenem Wohnraum untergebracht seien, weil in Bremen und Niedersachsen bei einer dezentralen Unterbringung keine Sachleistungen mehr erbracht würden. Zudem erschließe sich nicht, warum nach § 6 Abs. 1 AsylbLG ein pauschaler Mehrbedarf für Schwangere und die Leistungen des “Bildungspakets„ geleistet würden, der Mehrbedarf für Alleinerziehende hingegen nicht.
Die Antragsgegnerin hält die erstinstanzliche Entscheidung in dieser Hinsicht für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Prozessakte der Hauptsache (-...