Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. Regelungsanordnung. Arbeitslosengeld II. gegenwärtiger Bedarf. streitiges Rechtsverhältnis. Überprüfungsantrag. keine Leistungen für die Vergangenheit. Unterkunft und Heizung. Heizkosten. offenkundig unangemessene Wohnfläche. keine Übergangsfrist. keine Kostensenkungsaufforderung
Leitsatz (amtlich)
1. Die einstweilige Anordnung dient der vorläufigen Regelung eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses, im Grundsicherungsrecht regelmäßig bezogen auf einen gegenwärtigen Bedarf. Das Vorliegen eines Anordnungsgrundes setzt demnach regelmäßig einen gegenwärtigen Bedarf sowie ein zwischen den Beteiligten bestehendes Rechtsverhältnis voraus. Ein Antrag nach § 44 SGB 10 kann ein derartiges Rechtsverhältnis begründen.
2. Ein Hilfebedürftiger kann die Übernahme der Heizkosten für die Beheizung eines Eigenheims von unangemessener Größe (hier: 470 qm) vom Grundsicherungsträger auch nicht vorübergehend für einen Zeitraum von sechs Monaten verlangen. Einer vorherigen Kostensenkungsaufforderung bedarf es insoweit ebenfalls nicht.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 1. März 2011 - S 45 AS 58/11 ER - aufgehoben.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde, mit der sich der Antragsgegner dagegen wendet, dass ihn das Sozialgericht (SG) Lüneburg mit Beschluss vom 1. März 2011 durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung verpflichtet hat, der Antragstellerin vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung bei einem Unterliegen im Hauptsacheverfahren für die Anschaffung von Heizöl einen weiteren Betrag i. H. von 938,26 € zu gewähren, ist zulässig und begründet.
1. Zwar hat das Sozialgericht (Seite 3 des angefochtenen Beschlusses) dargelegt, dass der Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Vorliegen eines Anordnungsgrundes voraussetzt; indes fehlt es in den Gründen des Beschlusses vom 1. März 2011 im Weiteren vollständig an einer Auseinandersetzung mit der Frage, ob ein derartiger Anordnungsgrund auch vorliegt.
Tatsächlich besteht ein Anordnungsgrund bezogen auf den Streitgegenstand des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
a) Ausweislich der Antragsschrift vom 4. Februar 2011 ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes die Erstattung in der Vergangenheit liegender, zwischen dem 17. November 2010 und dem 1. Februar 2011 angefallener, bereits von der Antragstellerin verauslagter Kosten für die Anschaffung von Heizöl gemäß der Anlage 2 zur Antragsschrift (Bl. 10 der Gerichtsakten). Da die Antragstellerin folglich die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Leistungsgewährung für Zeiten vor Stellung des Eilantrages bei dem Sozialgericht, also für einen Zeitraum vor dem 8. Februar 2011, begehrt, käme der Erlass einer einstweiligen Anordnung für einen sog. vergangenen, vor der Eilantragstellung liegenden Bedarf im Grundsicherungsrecht nur in einem Ausnahmefall in Betracht. Denn die Befriedigung eines vergangenen Bedarfs kann zulässigerweise im einstweiligen Rechtsschutzverfahren in aller Regel nicht mit Erfolg durchgesetzt werden, weil das sozialgerichtliche Eilverfahren nur der Behebung einer aktuellen Notlage dienen soll.
Lediglich dann, wenn der nicht erfolgte Ausgleich für die Vergangenheit noch in der Weise in die Zukunft hineinwirkt, dass durch die erfolgte Leistungsverpflichtung für die Vergangenheit erhebliche und schwerwiegende Rechtsverletzungen für die Zukunft drohen (sog. Nachholbedarf, s. dazu Wehrhahn, in: Estelmann, SGB II, Stand: März 2011, § 86 b SGG, Rn. 69), kommt ausnahmsweise wegen akuter Dringlichkeit die Verpflichtung des Grundsicherungsträgers im einstweiligen Rechtschutzverfahren in Betracht, auch für einen vor der Antragstellung (bei Gericht) entstandenen vergangenen Bedarf Leistungen zu erbringen (st. Rspr. des beschließenden Senats, s. z. B. die Beschl. vom 7. Januar 2011 - L 13 AS 2/11 B ER -, vom 4. Januar 2011 - L 13 AS 413/10 B ER -, vom 11. August 2010 - L 13 AS 257/10 B ER -, und vom 12. Oktober 2009 - L 13 AS 242/09 B ER -; vgl. hierzu auch Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 86 b Rn. 35 a; Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Aufl. 2008, Rn. 260 - jeweils m. w. Nachw.; Wündrich, SGb 2010, 267 (271)). Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, und zwar auch nicht im Beschwerdeverfahren - dies wäre aber gem. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. den §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung erforderlich gewesen -, dass ein derartiger Nachholbedarf bei ihr jetzt noch dringend befriedigt werden müsste. Vielmehr hat sie weitere Streitgegenstände in das Verfahren eingeführt, die nicht Gegenstand der Antragstellung und mithin der erstinstanzlichen Entscheidung waren und die fol...