Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz gegen die Regressforderung der vertragsärztlichen Prüfstelle
Orientierungssatz
1. Die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Verordnungsweise ist grundsätzlich auf der Basis der von den Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung übermittelten elektronischen Daten und nicht auf der Grundlage von Originalbelegen durchzuführen.
2. Bringt der Vertragsarzt aber Einwendungen gegen die Richtigkeit einzelner Daten vor, müssen die Prüfgremien dem nachgehen, indem sie in den geltend gemachten Einzelfällen die Verordnungsblätter bzw. Images von den Krankassen beiziehen und auf diese Weise ggfs. festgestellte Fehlbuchungen bereinigen.
3. Ist das Prüfgremium entgegen seiner Pflicht dem Vorbringen des Vertragsarztes nicht im Wege der Heranziehung von Originalunterlagen von Krankenkassen nachgekommen, so führt dieser Verfahrensfehler im einstweiligen Rechtsschutz nach summarischer Prüfung zur Aufhebung des Regressbescheides.
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 02. September 2008 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die erstinstanzlichen Kosten vom Antragsgegner und der Beigeladenen zu 1. als Gesamtschuldner getragen werden mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der übrigen Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 16.927,06 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerinnen (Ast) sind Allgemeinmedizinerinnen und nahmen im Jahr 2001 mit ihrer Gemeinschaftspraxis in D. an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Sie begehren vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Regressforderung in Höhe von 67.708,22 €.
Mit Bescheid vom 12. Dezember 2005 (Datum des Postausganges) setzte der Prüfungsausschuss Niedersachsen für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung gegen die Ast einen Regress in Höhe von 153.585,48 DM fest. Dem lag eine Überprüfung der Arzneimittelverordnungen des Jahres 2001 nach Richtgrößen zugrunde, die für die Ast einen Richtgrößenbetrag von 600.591,60 DM ergeben hatte. Die Ast hatten diesen mit Bruttoverordnungskosten in Höhe von 1.329.774,73 DM um ca. 121 % überschritten.
Gegen den Bescheid legten die Ast am 16. Dezember 2005 Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie verschiedene Praxisbesonderheiten geltend machten und Zweifel an der Richtigkeit der Datenbasis äußerten. So fehle bei der Erfassung von Verordnungen das Tagesdatum, Versichertennummern seien falsch und es seien falsche Pharmazentralnummern (PZN) in Ansatz gebracht worden.
Der Antragsgegner (Ag) gab dem Widerspruch in seinem Bescheid vom 13. Februar 2008 in der Weise statt, dass der Regressbetrag auf 132.425,76 DM (bzw. 67.708,22 €) reduziert wurde. Zu Gunsten der Ast nahm er Abzüge von den Bruttoverordnungskosten wegen nicht dem Datensatzformat entsprechenden Datensätzen vor (29.421,12 DM in Anlage 2, 631,77 DM in Anlage 5 des Bescheides). Außerdem berücksichtigte er Praxisbesonderheiten in Höhe von insgesamt 138.826,90 DM.
Gegen den am 13. Februar 2008 abgesandten Bescheid haben die Ast am 14. März 2008 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben, die dort unter dem Aktenzeichen: S 24 KA 221/08 anhängig ist. Außerdem haben sie am 09. Mai 2008 den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gestellt. Zur Begründung haben sie die Auffassung vertreten, der Ag sei zu Unrecht nicht den gerügten Datenfehlern nachgegangen; dies widerspreche der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG; Hinweis auf BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 11). Auch die Praxisbesonderheiten seien nicht in ausreichendem Umfang berücksichtigt worden. Bei Vollziehung des Regresses sei eine wirtschaftliche Gefährdung der Ast zu 1. und die Insolvenz der Ast zu 2. zu befürchten.
Der Ag hat seinen Bescheid verteidigt und darauf hingewiesen, dass auf die von den Ast vorgetragenen Zweifel die Datenlage überprüft, ausgewertet und - soweit erforderlich - korrigiert worden sei. Im Übrigen hätten die von den Ast vorgelegten datenspezifischen Analysen keine Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer Nachprüfung anhand von Originalverordnungsblättern ergeben.
Dem erstinstanzlichen Ablehnungsantrag des Ag hat sich die unter 1. beigeladene Kassenärztliche Vereinigung (KV) angeschlossen.
Das SG hat die aufschiebende Wirkung der Klage mit Beschluss vom 02. September 2008 angeordnet und dem Ag die Verfahrenskosten auferlegt. Es hat eine allgemeine Interessenabwägung durchgeführt und dargelegt, dass angesichts der Streitsumme eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der nunmehr noch von der Ast zu 2. geführten Praxis und der Ast zu 1. nicht auszuschließen sei.
Hiergegen hat der Ag am 24. September 2008 Beschwerde vor dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Zu den gerügten Datenmängeln weist er darauf hin, dass er sich hiermit beschäftigt und Date...