Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. freie Verpflegung bei stationärer Unterbringung. geldwerte Sachleistung. ermächtigungskonforme Auslegung
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der kostenlosen Verpflegung eines nicht erwerbstätigen Leistungsberechtigten nach dem SGB 2 während eines stationären Aufenthaltes handelt es sich um Einnahmen in Geldeswert, die als Einkommen iS des § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 zu berücksichtigen sind.
2. Der in §§ 2b, 2 Abs 4 AlgIIV für die Bestimmung des Einkommenswertes vorgesehene uneingeschränkte Verweis auf die Sachbezugsverordnung hält sich nicht im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage des § 13 Nr 1 SGB 2.
3. Die Einkommensanrechnung kann bei ermächtigungskonformer Auslegung nicht über den Betrag hinausgehen, der in der Regelleistung für Verpflegung angesetzt ist. Hierbei ist ein etwaiger Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung zu berücksichtigen.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 2. November 2006 abgeändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 5. Oktober 2006 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 25. September 2006 wird insoweit angeordnet, als der Antragsgegner Sachbezüge in Höhe von mehr als 151,43 € monatlich während des stationären Aufenthalts des Antragstellers anrechnet.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller 2/3 seiner außergerichtlichen Kosten auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Anrechnung von Sachbezügen in Form von kostenloser Verpflegung während einer stationären Unterbringung des Antragstellers.
Der 1956 geborene Antragsteller bezieht seit dem 1. Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) von der im Auftrag des Antragsgegners handelnden Gemeinde F..
Auf seinen Fortzahlungsantrag vom Mai 2006 wurden dem Antragsteller mit Bewilligungsbescheid vom 4. Mai 2006 monatliche laufende Leistungen für den Bewilligungszeitraum vom 1. Mai 2006 bis 30. November 2006 in Höhe von 708,00 € gewährt. Nachdem der Antragsteller unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung einen Mehrbedarf wegen kostenaufwendiger Ernährung aufgrund einer Leberinsuffizienz geltend gemacht hatte, bewilligte die im Auftrag des Antragsgegners handelnde Gemeinde mit Änderungsbescheid vom 17. Mai 2006 einen zusätzlichen ernährungsbedingten Mehrbedarf in Höhe von monatlich 30,68 € für die Dauer des Bewilligungszeitraums.
Am 7. September 2006 wurde der Antragsgegner von einer stationären Unterbringung des Antragstellers in Kenntnis gesetzt. Das Therapiezentrum G. teilte mit, der Antragsteller sei am 6. September 2006 in das Niedersächsische Landeskrankenhaus (LKH) H. in F. verlegt wurden. Weitere Ermittlungen ergaben, dass der Antragsteller vom 4. bis 24. Juli 2006 in Haft gewesen war, vom 25. Juli bis 10. August 2006 im LKH untergebracht war und sich seit dem 10. August 2006 im Therapiezentrum wegen einer Drogenabhängigkeit aufgehalten hatte. Die LVA Oldenburg-Bremen hatte bereits mit Bescheid vom 20. Juni 2006 eine viermonatige Leistung zur medizinischen Rehabilitation bewilligt; ein Anspruch auf Übergangsgeld bestand nicht. Wegen eines schweren Rückfalles des Antragstellers wurde die Therapie im Therapiezentrum G. am 6. oder 10. September 2006 unterbrochen; zu den genauen Daten finden sich unterschiedliche Angaben. Spätestens ab dem 18. September 2006 und bis zum 5. Oktober 2006 wurde der Antragsteller erneut im LKH stationär behandelt; seitdem befindet sich der Antragsteller wieder zur stationären medizinischen Rehabilitation im Therapiezentrum G..
Die Gemeinde F. berechnete daraufhin die dem Antragsteller für den Bewilligungszeitraum zu gewährenden Leistungen mit Bescheid vom 25. September 2006 neu unter Anrechnung von Sachbezügen in Höhe von monatlich 202,70 € ab dem 8. Tag (11. Juli 2006) aufgrund der Unterbringung in verschiedenen stationären Einrichtungen (Juli 2006: 596,79 €; August bis November 2006: 535,98 €). Für die Monate Juli bis September ergebe sich damit eine Überzahlung in Höhe von 547,92 €, die gemäß § 50 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu erstatten seien. Auf die Erstattung werde aber in diesem Falle verzichtet.
Am 4. Oktober 2006 hat der Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Oldenburg die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt. Er hat hierzu insbesondere vorgetragen, er fühle sich ungleich behandelt, da andere Leistungsträger (z. B. alle Arbeitsgemeinschaften) Sachbezüge in Höhe von (nur) 120,75 € anrechneten statt 202,70 €. Er benötige die begehrten Leistungen dringend für seinen Lebensunterhalt, da er für seine Mietwohnung noch Rückstände und laufende Nebenkosten zu begleichen habe. Er sei auch wegen seiner Leberinsuffizienz auf eine spezielle Diäternährung angewiesen und müsse sich daher auch im Therapiezentrum teilweise selbst versorgen bzw. die fehlenden Nahrungsmitt...